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Artikel 53 / 81

Die Kaschmir-Kinder

SPIEGEL-Redakteurin Ariane Barth über Popper in Hamburgs Jugend-Kultur
aus DER SPIEGEL 16/1980

Ein Schal ist gemeinhin ein Schal, aber dieser Schal ist mehr, er ist um den Hals geschlungenes Bewußtsein. Aus Kaschmir hat er zu sein, feines englisches Tuch tut es zur Not auch. Die Rede ist vom Schal eines Poppers. Das ist nicht etwa ein Anhänger Karl Poppers. Dem Pflichtoptrmismus des Philosophen der Anti-Ideologie könnte ein Popper wohl Glauben schenken, doch von dem Herrn hat er in der Regel nie gehört.

Vielmehr ist ein Typ aufgekommen, der in der Jugendkultur herumpoppt, was ursprünglich ein rhythmisches Fingerschnippen zu Musik bezeichnete, doch inzwischen einen schicken Lebensstil. Die ersten Popper habe ich verkannt als ein paar teuer, doch unauffällig gekleidete Jung-Hanseaten mit Dünkel, so recht passend zum Flair der englischen Rasen und Häuser mit Gesims in Hamburgs Vierteln rund um die Alster und an der Elbe. Zehn, zwanzig, dreißig sah ich und plötzlich bekam ich sie ins Visier, diese lässig elegante Erscheinung. Eine Zeiterscheinung?

Ich zähle mindestens ein Dutzend Gymnasien, wo noch vor einer halben Generation politisierte Schüler, doch S.261 nun Popper unpolitisch modisch tonangebend sind. Einige Hundert sind mir inzwischen in ihrer Szene begegnet, manche erst zwölf und schon Minipopper, andere über zwanzig und immer noch nicht anders. Einige Tausend allein in Hamburg mögen es schon sein, die sich in kostspieliger Konformität bewegen.

Diese jugendliche Ausrichtung auf eine elitäre Äußerlichkeit ist Leuten aus der Modebranche, die für derlei eine Sensibilität haben, auch in anderen Städten aufgefallen. Als hätten sie einander kopiert, so sehen ganze Gruppen Jugendlicher aus, die in »Karli's Kaffeehaus« von Nürnberg auftreten, im Münchner Schwabing durch die Boutiquen ziehen oder im Berliner »Eispalast« tanzen. Vereinzelt taucht derselbe Typ sogar im kleinstädtischen Marne in Holstein auf, in Frankfurter Taunus-Vororten hat er sich schon erstaunlich vermehrt.

Wo in diesem Lande schöner wohnen ist wie im Taunus, da herrscht das Klima, das Popper gedeihen läßt, egal, ob sie sich so nennen mögen. Hamburgs Pfeffersack-Geld hat mit seinem Kult der guten Adresse relativ geschlossene Wohngebiete gehalten. Dort auf den Traditionsschulen mit sozialer Homogenität breitete sich Poppertum schnell aus und wurde Begriff.

Von einer »Uniform in Kleidung und Gesinnung« spricht Michael Jasinsky, der Soziologe an der Hamburger Jugendbehörde ist. Er hat den Drogenkonsum Hamburger Schüler untersucht und kennt sich aus im Jugendmilieu. »Seltsam«, sagt er, »diese Elite in Taschenbuchausgabe hat sich nach denselben Gesetzmäßigkeiten der Subkultur formiert, wie wir sie bei Punks und Rockern, den Teds mit der Elvistolle und den ausgeflippten Freaks, Jesus-Jüngern und K-Grüpplern kennen.«

Das Wir-Gefühl, das sich Punks mit dem »Letzten vom Letzten« wie einer Sicherheitsnadel in der Backe erzeugen, kommt beim Popper mit dem Schal. Und wenn er ihn gerade abgelegt hat -- das kommt vor --, woran erkennt man ihn dann?

Vielleicht am V-Pullover, natürlich auch wieder aus Kaschmir (200, 300 Mark), und erst in zweiter Linie aus Lambswool (ab 50 Mark), etwas zu weit, wie vom großen Bruder geerbt; vielleicht am Kragenrand des untergezogenen Lacoste-Hemdes (um 60 Mark) oder dem schmalen Streifen der Burlington-Socken (über 10 Mark) zwischen elegantem Slipper (80, 100 Mark) und engem Hosenbein, das nach oben breit wird wie die Möhre (80, auch 180 Mark); vielleicht am Zwiebeleffekt übereinandergezogener Kleidungsstücke, wodurch sich die Kosten vervielfachen; vielleicht an James Deans Lumberjack (sofern aus Leder: um 500 Mark), an Humphrey Bogarts Trenchcoat (200, auch 400 Mark) oder Reinhold Messners Wärmejacke mit Daunenfüllung (ohne Ärmel: nicht unter 100 Mark; mit Ärmeln: ab 200 Mark aufwärts).

Abweichungen vom Gruppenbild gibt es viele. Doch bedarf es dieses gewissen Stils, wer ihn nicht trifft, fällt durch wie beim Theater.

Zur Kleidung gehört eine Art, die Ärmel aufzukrempeln oder hochzuschieben. Die Frisur, stets frisch gewaschen und am besten luftgetrocknet, muß stimmen wie die Kopfbewegung, mit der Jungen den Schrägpony zurückwerfen, nur um ihn wieder übers Auge gleiten zu lassen, zur Erzeugung eines Zyklopenblicks. Auf einer Seite Mähne, auf der anderen ordentlicher Scheitel, hinten kurz nach alter Väter Sitte, doch vorn rudimentär rebellisch lang -- das ist wie Haardialektik. Mädchen verstehen sich darauf, mit elegant-nervöser Handbewegung durch die kunstvoll frisierte Natürlichkeit zu streichen.

All das Gehabe, das dazugehört, haben zwei Hamburger Schüler in einem »Popper-Knigge« glossiert. »Der Kopf wird recht hoch getragen«, heißt es in zweierlei Sinn. Die Gangart des Poppers sei: »Leicht, locker-flockig, nicht mit dem ganzen Fuß auftreten, leicht schwingen.« Die anempfohlene Standhaltung hat leger zu sein, gekreuzte Beine, eine Hand in der Hosentasche, S.264 die andere erhoben wie zum Dauergruße bei abgeknicktem Gelenk und gespreizten Fingern.

Die eigentliche Grußzeremonie geschehe »mit einem Aufschrei sowie einem Freudensprung«, doch: »Dies nur bei 1. Ebenbürtigen (geistig), 2. näheren Bekannten und 3. besonders in Gegenwart anderer (1, 2) Leute.« Ein »Nicht-Popper« sei »möglichst nur durch ein leichtes, lässiges Kopfnicken begrüßt«. Über allem der Leitsatz: »Deutlich sehen und fühlen lassen, wer 'man' ist.«

Man ist wer -- schon als Sohn oder Tochter aus gutem Hause mit Hochpreismiete, wenn es nicht elterliches Eigentum ist. Natürlich verkehrt der junge Alster- und Elbwasser-Adel auch mit Gleichgesinnten aus anderer Gegend. Fragt man danach, so werden einige aufgezählt, die »nur« da und da wohnen. Wo man wohnt, darauf wird geachtet in einer Attitüde der Gleichgültigkeit: »Wir, wir wohnen eben hier.« Die Kaufmannschaft und das Bildungsbürgertum stellt und kleidet sie ein, die Kaschmir-Kinder.

»Ich habe«, sagt mir eines, »nichts gegen Arbeiter-Familien, aber diese Söhne, diese Söhne.« Es erstaunt mich gar nicht, daß einige, wie sie berichten, ganz unvermittelt gepufft wurden oder sogar einen Schlag ins Gesicht geknallt bekamen, von Gleichaltrigen in »öden Klamotten«. Besonders auf Straßen, die vornehme Gegend von Neubauvierteln mit Sozialwohnungen trennen, kann das leicht passieren. Klassenbewußtsein provoziert.

Seltsam schon diese Wiederannäherung an alte Zeit, da Klassenunterschied peinlich deutlich am Seidenband im Haar oder Bindfaden im Zopf erkennbar war. Mit aufsteigender Republik wurde der Unterschied subtiler und schließlich mit Jeans und T-Shirt, wenn nicht aufgehoben, so doch unsichtbar gemacht. Die Jeans gehörten zur Jugendrevolte gegen Bürgers S.265 Muff und Mief. Doch die Einheitsjeans gibt es nicht mehr, wie die Einheitslinie, die Jugend in einer Massenbewegung dasselbe skandieren ließ.

Aus den Jeans ist die differenzierte Hose geworden. Am Material und an den Nähten, an Taschen und dem Bund, am Schnitt und vor allem am Markenschild wird Herkunft aus der Billigproduktion oder vom Stilisten deutlich. Popper tragen Jeans der Oberklasse im Radikalschick. Levis und Wrangler: »Zu gewöhnlich.«

Was Popper nicht tragen, ist aufschlußreich für ihre Gesinnung. Parka, derselbe Parka, in dem einst Straßenschlachten gegen den Wasserwerfer geschlagen wurden, kommt ihnen nicht an den Leib und am besten gar nicht ins Blickfeld, denn, so Poppers O-Ton, »Parka ist prolo«. So aufs läppisch modische Kürzel verkam der Prolet, der für die Jugend der Apo noch eine heilige Erscheinung im Klassenkampf war.

Vielleicht ist das Klassenbewußtsein, das hinter dem modischen Schnickschnack steckt, eine Reaktion auf verlorene Positionen. Die gehobenen Schichten können nicht mehr, wie sie es Jahrhunderte gewohnt waren, ihre Kinder leichthin in gehobene Lebensstellung lancieren. Die Konkurrenz läßt die weniger Intelligenten, die sich einst durch überlange Studien hangeln konnten, gerechterweise absteigen. Die Apo-Generation war die letzte, die unbehinderten Zugang zu den Universitäten hatte und vor sich eine Zukunft scheinbar ohne Angst vorm Arbeitsmarkt. Damals, lange scheint's her, konnte es sich das Bildungsbürgertum gerade eben noch leisten, so viele Kinder an Marx abzugeben, doch nun ginge ihm das an die Substanz.

So gibt es denn Elternhäuser, die in den frühen 70er Jahren einen Apo-Anhänger produzierten, doch nun einen Popper als Nachkömmling. Diese pubertäre Sucht, zu zeigen, wer man ist, S.268 könnte schon zusammenhängen mit der Endzeit der Aufstiegsgesellschaft.

Ein Popper fühlt sich als Antityp zu einem »Assi« vom Stamm der Asozialen, der als ein solcher durch ein bestimmtes Tuch ausgewiesen ist. Die schöne Leila Ali Chalid trug es, als sie eine Boeing entführte, und auf jeder Demonstration gegen Atomkraft tragen es Tausendschaften. Das Tuch hat wohl politische Programmatik wie auch seine Verunglimpfung in der Sprache des Poppers als »Kommunistentuch« oder »Palästinenser-Feudel«, was auf hamburgisch Putzlumpen heißt.

Gegen Jugend mit »Atomkraft --Nein danke«-Plakette igeln sich Popper-Cliquen ein: »Die mit der Weltuntergangs-Brosche sind doch gestört.« Und wieso? »Gegen was in der Gegend rumlaufen macht doch keinen Spaß, wir fahren lieber Rollschuh.« Und außerdem: »Man ist eben nicht anti.«

Das heißt noch lange nicht, daß man pro ist. Strauß oder Schmidt? Ein Achselzucken, die Alternative ist nicht bedenkenswert. Im übrigen sind beide viel zu wenig schick, Bierzelt-Strauß und Hausbar-Schmidt. Leute intuitiv nach ihrem Stil zu taxieren, darin immerhin sind Popper Könner. Das politische Desinteresse ist synchron, schließlich, so wird im »Popper-Knigge« vermerkt, »dürfen eigene Meinungen nur wenig vom Durchschnitts-Meinungsbild abweichen«. Und ist nicht ganz allgemein in der Gesellschaft eine politische Schläfrigkeit zu verzeichnen?

Mit diesem hellwachen Gespür für das, was in ihrem Jargon »angesagt ist«, ähneln Popper ein wenig den Zukunftsmenschen, die der amerikanische Soziologe David Riesman in der »Einsamen Masse« schon »950 skizziert hat: Das gemeinsame Merkmal der außengeleiteten » » Menschen besteht darin, daß das Verhalten des einzelnen durch » » die Zeitgenossen gesteuert wird; entweder von denjenigen, die » » er persönlich kennt. oder von jenen anderen, mit denen er » » indirekt durch Freunde oder durch die » » Massenunterhaltungsmittel bekannt ist. Diese Steuerungsquelle » » ist selbstverständlich auch hier »verinnerlicht«, und zwar » » insofern, als das Abhängigkeitsgefühl von dieser dem Kind » » frühzeitig eingepflanzt wird. Die von dem außen-geleiteten » » Menschen angestrebten Ziele verändern sich jeweils mit der » » sich verändernden Steuerung durch die von außen empfangenen » » Signale. Unverändert bleibt lediglich diese Einstellung » » selbst und die genaue Beachtung, die den von den anderen » » abgegebenen Signalen gezollt wird. »

Zu ihrem Empfang hat der neue Charaktertyp, so Riesmans Bild, ein S.270 hochempfindliches Radarsystem mit extrem ausgefahrenen Antennen statt jenes traditionellen Kreiselkompasses, wie er dem berühmt skurrilen Engländer, der noch im Dschungel Dinnerjacket trug und die vier Wochen alte »Times« las, stets dieselbe einmal eingeschlagene Sozial-Richtung anzeigte. Kompaß-Kinder sah der Soziologe »auf dem Personenmarkt außer Mode« kommen, weil sie im Konkurrenzkampf gegen jene unterliegen, die in »schnell aufeinanderfolgenden Anpassungen der Persönlichkeit« firm sind.

Für die Einübung in solches Wechselwesen hat die Popperkultur beste Bedingungen. Atemberaubend die Geschwindigkeit und Perfektion, in der diese Antennen-Infanten ihr In-Out-Gesellschaftsspiel mit Hunderten von Details flippern. Daß College-Schuhe out sind, seit im Quelle-Katalog angeboten -- es wundert mich nicht. Daß Fiorucci, zärtlich Fio genannt, Ciao und Ska in sind, ist mir spanisch. Aufgeklärt, daß ersteres eine italienische Bekleidungsfirma, das zweite ein Mofa und das dritte eine Musikrichtung ist, begreife ich diesen Streß, ständig die Schmalspur zwischen den großen Märkten und der Szene halten zu müssen.

Ein Spot im »Zeit-Magazin« über Poppers Frisur, »die hinten nicht hält, was sie vorne verspricht«, hatte prompt einen Schnittwechsel ganzer Kollektive zur Folge. Und die abgebildete Fliegerjacke wurde degradiert zum Erkennungszeichen des »Prolo-Poppers« oder »Zeit-Nachklappers«. Man, ja man ist der Zeit voraus.

Daß den Äußerlichkeiten schon die Innerlichkeit entspricht, glaubt Jasinsky zu erkennen: »Ich habe, als ich vor zehn Jahren 'Die einsame Masse' las, nicht für möglich gehalten, daß der Riesman-Typ jemals so rein auftreten würde, wie in Gestalt des Poppers.« Und er paßt auch in die »Kultur des Narzißmus«, die der amerikanische Historiker Christopher Lasch gerade bitterbös beschrieb als kollektive Seelenkrankheit elegischer Selbstbespiegelung im »sterbenden Spätkapitalismus«.

Dieses Vergafftsein ins eigene Bild haben die Verfasser des »Popper-Knigge« in Schülerzeitungs-Ironie aufgezeigt: »Es empfiehlt sich, zu Hause einen großen Spiegel zwecks Haltungs- bzw. Präsentierübungen aufzustellen.« Sich selbst in anderen zu spiegeln, dafür diese Anstrengung, »daß man möglichst besser und interessanter als die anderen aussieht«, dafür diese Einstudierung »einer Anzahl von Sprüchen« in der Varianz »von 'interessant-cool' bis 'interessant-witzig'«, dann diese Schweigeminute nach Eintritt ins Spiegelkabinett einer Discothek: »'Man' stellt sich die Frage, ob es gelungen ist, wirkungsvoller als die anderen aufzutreten.«

Die anderen, was wäre man ohne sie, werden stets zu neuem Selbstdarstellungshintergrund S.273 arrangiert. Ein typischer Hamburger Popper-Freitag beginnt gegen fünf Uhr nachmittags vor der Tür der italienischen Eisdiele »Filippi«. An abgestandene Zeit zwischen Rädern und Rollern, Mofas und Mokicks schließt sich abgesessene Zeit auf dem antiken Plunder-Meublement der »Klimperkiste«, bis im »Nach Acht« Discoglitzern konsumiert und dann gegen noch gleißenderen Disco in der »Tenne« oder im »Trinity« getauscht wird. Der Körperbewegung folgt die Schlußschau im neonerleuchteten Schaufenster-Cafe »Cha Cha«.

Obwohl viele Kilometer zwischen den Auftrittsstätten liegen -- man ist schließlich mobil, wenn nicht mit dem eigenen Zweirad oder Auto, dann mit dem Taxi --, scheinen einzelne überall zu sein, und überall findet sich die große Herde. Begrüßung hier, Begrüßung dort, wahnsinnig viele Leute zu kennen trägt, so der »Popper-Knigge«, »stets zur Bewunderung durch das einfache Volk bei«.

Außer Begrüßungen geschieht nicht viel mehr, schon gar nicht, was bürgerlichem Wohlanstand als jugendgefährdend erscheinen würde. Die Erotik ist Eigenerotik oder doch minimiert auf eine Ekstase des Schauens. »Sehen und gesehen werden ist des Poppers Glück auf Erden«, lästert denn auch der »Knigge«. Wo allein der Blick herrscht, verliert sich nach Beobachtungen der französischen Psychoanalytikerin Luce Irigaray leicht Berührungslust: »Das Auge versachlicht und unterwirft mehr als andere Sinne. Es schafft Abstand, hält Abstand.«

Etwas von diesem Abstand sogar sich selbst gegenüber zu halten ist ein Ideal, das sich stromlinienförmig in diese Vergnügungsproduktion fügt. Qualen der Pubertät sind nicht angesagt, und ich weiß auch nicht, ob da mehr fehlt als das traditionelle Denkklischee, daß der Übergang von Klein nach Groß schmerzvoll zu sein habe. Es liegt nicht nur am hastigen Zeitvertreib, daß kein Augenblick freibleibt für Unglücksgefühle. Nach Popper-Ideologie sind Probleme »prolo«, man hat einfach keine, und das bewahrt wie eine sich selbsterfüllende Prophezeiung vor dieser Traurigkeit um alles und nichts.

Selbst eine Scheidung der Eltern, nicht selten in diesen Kreisen, ist kein Anlaß zu Verzweiflung, und warum sollte es so nicht sein. Für den »Beziehungsschlamassel« gilt dasselbe lässige Parlando von cool bis witzig wie für die ungerechte Fünf in Mathe oder das kaputtgefahrene Mofa. The Swing goes on. Die nächste Fete ist angesagt, Sektfrühstück ist momentan ganz besonders in.

Schaumwein vorzugsweise, auch andere Spirituosen reicht sich diese junge Eleganz gelegentlich zum leichten Rausch, nicht um zu vergessen -man besäuft sich nicht sinnlos. Jugendalkoholismus ist für die Unterschicht. Im Tal der Puppen, wo sich die Schickeria Erwachsener durchaus aufhält, sind ihre Abkömmlinge allenfalls neugierhalber gewesen. Pillen sind nicht Popper-gemäß. Mit der High Society der Hascher hat die Gesellschaft von Kaschmir nicht viel zu tun. Ihre schöne saubere Welt ist der härteste Gegenentwurf zum heillos-haltlosen Milieu der kaputten Kinder vom Bahnhof Zoo. Alles hat eben seinen Preis, man muß ihn nur bezahlen können.

S.268

Das gemeinsame Merkmal der außengeleiteten Menschen besteht darin,

daß das Verhalten des einzelnen durch die Zeitgenossen gesteuert

wird; entweder von denjenigen, die er persönlich kennt. oder von

jenen anderen, mit denen er indirekt durch Freunde oder durch die

Massenunterhaltungsmittel bekannt ist. Diese Steuerungsquelle ist

selbstverständlich auch hier »verinnerlicht«, und zwar insofern, als

das Abhängigkeitsgefühl von dieser dem Kind frühzeitig eingepflanzt

wird. Die von dem außen-geleiteten Menschen angestrebten Ziele

verändern sich jeweils mit der sich verändernden Steuerung durch die

von außen empfangenen Signale. Unverändert bleibt lediglich diese

Einstellung selbst und die genaue Beachtung, die den von den anderen

abgegebenen Signalen gezollt wird.

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