Zur Ausgabe
Artikel 53 / 90

MAIR Ding paßt

aus DER SPIEGEL 43/1966

Das Werk wiegt knapp vier Kilo, mißt 28 mal 38 mal 5 Zentimeter, trägt auf dem Umschlag die Bundesfarben Schwarz-Rot-Gold und ist »der größte Brocken, den wir je in Angriff genommen haben« - so Verleger Dr.

Volkmar Mair, 35, Stuttgart, über das neueste Produkt von »Mairs Geographischem Verlag«.

Es ist ein »Deutscher Generalatlas« im Maßstab 1:200 000 nebst zahlreichen Spezialkarten, eine imposante Sondermischung aus Geographie-Lexikon, heimatkundlichem Orientierungshelfer, Autoatlas, Stadtplansammlung und Ortsverzeichnis. Ende dieses Monats beginnt die Auslieferung an 30 000 Subskribenten, die sich den Riesen für 84 Mark vorbestellten.

Als die Mair-Männer vor drei Jahren mit den Vorbereitungen, vor eineinhalb Jahren mit,der Produktion begannen, kalkulierten sie 40 000 Exemplare als marktgerechte Gesamtauflage. Chef Mair: »Wir dachten, es dauert drei Jahre, die zu verkaufen.« Nach dem unerwarteten Vorbestellungs-Run rechnet er: »Bis Weihnachten sind die 40 000 alle weg« (nach Ablauf der Subskriptionsfrist kostet der »Generalatlas« 96 Mark). Für 1967 wird bereits eine zweite Auflage von abermals 40 000 geplant, und Atlas-General Mair ist nun »völlig überzeugt«, daß sein Haupt- und Staats-Buch eine Gesamtauflage »von 100 000 bis 200 000 erreichen wird«.

Mair ist hohe und höchste Auflagen gewohnt. Der mit Abstand größte Autokartenverlag Europas (Jahresumsatz: über 20 Millionen Mark) bringt insbesondere »jährlich einige hunderttausend« Exemplare eines Dauerbestsellers an den Mann: des »Großen Shell Atlas«. Dieses laut Mair »meistgekaufte Buch in Deutschland«, das auf den Bestsellerlisten jeden Böll und Bamm überholen würde*, steht jetzt bei zwei Millionen Gesamtauflage, wird durch einen verlagseigenen »Straßenerkundungsdienst« kontinuierlich auf den neuesten Straßenbau- und Schlaglochstand gebracht und ist eine schier unversiegbare verlegerische Einnahmequelle.

Hinzu kommen noch weitere kartographische und touristische Mair-Publikationen mit Großauflagen, so etwa der »Varta-Führer« (500 000) und ein »Shell Europa Atlas« (200 000). Die Benzin- und Batterie-Firmen, deren Namen mit Mairs Titeln verknüpft sind, finanzierten in der Regel die enormen Erstherstellungskosten (beim Shell-Atlas: eine Million Mark). Den gut eingeführten Reklame-Namen behalten die Werke, obwohl die weiteren Auflagen nicht mehr aus den industriellen Werbeetats dotiert werden. Als geschäftsführender 50-Prozent-Teilhaber von »Baedekers Autoführer-Verlag« versorgte Reisewellenreiter Mair Deutschlands Touristen überdies mit bislang elf Auto-Baedekern; Auflage: über eine halbe Million.

Das die Massen-Motorisierung nutzende und mit ihr wachsende. Unternehmen hatte der Vater des heutigen Firmenchefs 1950 gegründet. Dem Gründer-Sohn, der mit 26 zum Verlagsherrn avancierte, glückte der Aufstieg ins geographische Großgeschäft. Mit 50 Kartographen und 50 Beschäftigten einer eigenen Präzisionsdruckerei stellt er heute die meisten Verlagsobjekte selbst her.

Im Eigendruck entstand auch der »Generalatlas«. In diese »Enzyklopädie des westdeutschen Verkehrsnetzes« (Mair) vom Belt bis vor die Etsch investierte der Stuttgarter Kartenmacher zwei Millionen Mark. Daß sein Karten-Konvolut, angereichert unter anderem mit Naturpark- und Flugstreckenübersichten, Heilbäder- und Verkehrsmengenplänen, so unhandlich geriet, kümmert den Mair kaum. Denn: »Vor Festlegung des Formats haben wir in allen Autotypen ausgemessen, wie groß die Ablagefläche unter der Heckscheibe ist. Das Ding paßt rein.«

Vor dem Problem, wie sich in seinen »Deutschen Generalatlas« auch die DDR einpassen lasse, mußte Mair indes kapitulieren: »Das ganze Kartenwesen untersteht drüben den militärischen Stellen. Keine Chance, da was herauszukriegen.« Trösteten Mair-Mitarbeiter ihren Chef: »Wir bekommen ja auch aus Spanien keine amtlichen Karten.«

* Die SPIEGEL-Bestsellerliste verzeichnet, mit der Höchstdauer eines Jahres, nur belletristische und Sachbuch-Neuerscheinungen, keine Neuauflagen und keine Fach- und Lehrbücher, Nachschlagewerke oder Atlanten.

Atlas-Verleger Mair

Autos ausgemessen

Zur Ausgabe
Artikel 53 / 90
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren