
Trumps Corona-Infektion Das geschieht ihm…


US-Präsident Donald Trump
Foto: Mandel Ngan / AFPWas haben Sie gedacht, als Sie heute Morgen gehört haben, Donald Trump habe sich mit dem Coronavirus infiziert? Was war Ihre erste, spontane Reaktion? Was ging Ihnen durch den Kopf? War es Sorge um seine Gesundheit oder um die Stabilität seiner Regierung? War es Mitgefühl? Haben Sie ihm stumm gute Wünsche gesendet?
Ich könnte Ihnen meinen ersten Gedanken verraten. Aber das werde ich nicht tun. Es gab eine spontane Reaktion im Hinterkopf. Aufschreiben werde ich sie nicht.
Donald Trump hat die Gefahr durch das Coronavirus über Monate heruntergespielt, obwohl er, wie zuletzt die Enthüllungen des Journalisten Bob Woodward belegten, schon sehr früh wusste, wie leicht übertragbar und tödlich die Krankheit ist. Er hat Corona als politischen Trick seiner Gegner abgetan. Er hat behauptet, das Virus sei nicht gefährlicher als eine Grippe und würde nach kurzer Zeit von selbst verschwinden. Er hat Wahlkampfveranstaltungen abgehalten, auf denen sich seine Anhänger dicht drängeln sollten, weil ihm das Bad in der Masse wichtiger war als der Schutz der Gesundheit. Er hat sich lustig gemacht über Menschen, die eine Maske tragen, zuletzt bei der TV-Debatte mit seinem Herausforderer Joe Biden. Jetzt hat ihn das Virus selbst erwischt.
Darf man mit grimmiger Genugtuung sagen: Das geschieht ihm nur recht? Darf man es gutheißen, wenn einem, den man nicht mag, den man ablehnt, den man für gefährlich hält, ein Unglück widerfährt? Selbstverständlich nicht, das weiß doch jede und jeder. Häme verbietet sich. Schadenfreude ist ein verwerfliches Gefühl, ein Ausdruck niederer Rachegelüste des Ohnmächtigen, der selbst nicht in der Lage ist, etwas auszurichten. Wer sich über das Leid eines anderen freut, weil der dieses Leid durch sein eigenes Verhalten doch verdient habe, belegt dadurch nur, dass er nicht besser ist, als derjenige, den er verachtet. Das Lachen über Trumps Infektion wäre ein hässliches Lachen.
"When they go low, we go high", hat Michelle Obama im Wahlkampf vor vier Jahren in Reaktion auf Trumps Beleidigungen gesagt. Und "high", moralisch überlegen, gerade diesem unmöglichen Typen im Weißen Haus – das wäre man doch gern. Ist man doch offensichtlich. Oder etwa nicht?
Wie auch immer die erste Reaktion auf die Nachricht der Infektion des großen Corona-Verharmlosers ausgefallen ist, Ihre und meine, mitfühlend oder hämisch - Sie war menschlich, unwillkürlich, geschah ohne Überlegung und Absicht. Vor allem aber: Sie war privat. Denken können wir uns alles, wir können gar nicht anders. Ob man aber jeden ersten Gedanken in die Welt hinaus plärren muss, das ist eine andere Frage. Der US-Präsident entscheidet sich regelmäßig dafür, es zu tun. Man kann sich aber auch anders entscheiden.