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KUNST Doppelgängerin aus Frankensteins Computer

aus DER SPIEGEL 8/1997

Das menschliche Gesicht als Spielball der Phantasie: »Ein Blick - und die Neese sitzt hinten«, empfand Kurt Tucholsky. Doch der Satiriker konnte kaum ahnen, wie schaurig die Computer-Ära das Antlitz zum »Interface« verfremden würde. Eine Ausstellung beim Kunstverein Konstanz zieht nun Metamorphosen-Bilanz ("Das neue Gesicht«, bis 6. April). Nicht jeder Künstler zwar ist auf neuestem Stand, auch bewährte Verfahren der Entstellung sind noch im Schwange. Da werden Visagen zu Collagen, Modelleure lassen die Gesichtszüge plastisch entgleisen, Foto-Artisten verwackeln hinterhältig ihre Porträts. Aber die stärkste Verwirrung ist digital gesteuert. Am Computer ebnet das amerikanisch-venezolanische Künstlerduo Anthony Aziz und Sammy Cucher Gesichter zu leeren Flächen ein, Mißbildungen wie aus einem modernisierten Frankenstein-Labor. Und die Deutsche Kirsten Geisler stellt dem Videobild einer jungen Frau eine computergenerierte Doppelgängerin zur Seite. Beide blicken eine Zeitlang starr geradeaus, wenden sich dann einander zu und fragen: »Who are you?« Darauf, so offenbar die Botschaft der neuen Gesichterkunst, ist immer schwerer eine Antwort zu finden.

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