FILM E. T., gehörnt
Kennen Sie Kino? Der Film fängt an wie »Omen«, und auch der Rest wird zu einem einzigen heiteren Zitate-Raten: Da, das ist doch R2-D2 aus »Star Wars«? Und das kleine Mädel sieht aus wie »Carrie«. Und hier gleich noch eine Stephen-King-Verfilmung: das wildgewordene Auto aus »Christine«. Wir treffen Tobe Hoopers Poltergeister und David Lynchs Wüstenwurm.
Vor allem »E.T.« wird geplündert: von den sich berührenden Fingerkuppen (die ja längst nicht mehr an Michelangelo, sondern nur noch an Steven Spielberg erinnern) über die BMX-Fahrräder bis zum nächtlichen Blick auf Los Angeles. Auch der Weltraum-Gnom selber taucht mal auf, er steckt in einer Mülltonne, mit einem Horn auf der Nase.
Ob dieses Nashorn Copyright-Gründe hat oder das Zitat nur ironisieren soll -
hier wollte einer Spielberg spielen, aber gereicht hat es bloß zum Spielhügel.
Seit Roland Emmerich, der mittlerweile 30jährige Absolvent der Münchner Filmhochschule, vor zwei Jahren mit Papas Geld in einer stillgelegten Sindelfinger Waschmaschinenfabrik seinen ersten Kinofilm »Das Arche-Noah-Prinzip« zusammenbastelte, gilt er als die junge Hoffnung der deutschen Filmwirtschaft. Betonung auf Wirtschaft.
Denn sein Debüt, gleich zur Berlinale eingeladen, sah aus wie eine amerikanische Multimillionen-Dollar-Produktion und hatte doch nur 900 000 Mark gekostet. Zumindest im Ausland verkaufte sich der trickreiche Science-fiction-Thriller prächtig: beste Empfehlung für Investoren. So konnte Emmerich sein zweites Projekt von ursprünglich geplanten eineinhalb auf zehn Millionen Mark Produktionskosten aufblasen.
Das hat seinem »Joey« nicht gutgetan. Dabei weiß es Emmerich, offensichtlich besoffen geworden an so viel Geld und an seinen eigenen technischen Möglichkeiten, eigentlich besser: »Man darf die Leute nicht mit dem Vorführen von Tricks langweilen.« Aber genau das tut er.
In einer Orgie von Special Effects versinkt die ohnedies mickrige Story. Die wenigsten Zuschauer, schon gar nicht die kleinen, und für die ist dieser Kid-Film schließlich gemacht, können dem Handlungsablauf vor lauter Blitz und Qualm, fliegenden Messern und aggressiven Riesen-Hamburgern folgen.
Auch die Topoi sind, mit einem Augenzwinkern, von Spielberg geborgt: Kleiner, vaterloser Junge bringt mit seinen übersinnlichen Fähigkeiten seine Schule und die ganze Nachbarschaft durcheinander. Ein beängstigendes Aufgebot von Wissenschaftlern mit bombastischen Gerätschaften versucht, das Phänomen zu ergründen, aber Joey stirbt ihnen einfach weg. Dennoch, es weihnachtet ja, ein Hoffnungsschein ganz am Schluß.
Wo sich Spielbergs »E.T.« beim Neuen Testament bediente, denkt Emmerich - so amerikanisch ist er nun auch wieder nicht - an Faust: Klein Joey muß den ewigen Kampf gegen das Böse mit einer hinterhältigen Puppe ausfechten. Gegen die maliziöse Zauberkraft der Bauchrednerfigur namens Fletcher vermag auch Joeys telekinetische Macht nichts auszurichten. Helfen kann da nur sein geliebter Vater, mit dem er regelmäßig telephoniert, obwohl der doch längst tot ist: Erlösung aus dem Jenseits.
Man glaubt Emmerich sofort, daß er an all diesen Trivialmythen einen Heidenspaß hatte. Nur wird dem Publikum dieser Spaß verdorben, weil das Unternehmen ("Ein Roland Emmerich Film") so großkotzig daherkommt.
Als Steven Spielberg aus Sindelfingen läßt er sich gern apostrophieren. Sindelfingen - genau das ist das Problem.
Hartmut Schulze