GESELLSCHAFT / KOCHKUNST Ein Löffel Shit
Schon die Geschichte mit Nero war ganz anders: Die Heu-Ballen des Circus maximus, bei denen der Brand von Rom begann, waren in Wahrheit riesige Hanfbestände, und der Kaiser hatte daran herumgezündelt, weil er ein großer Kiffer war. Der alte Genießer wollte »sich selbst ein überdimensionales High durch Einatmen des Rauches verschaffen., und bei dieser Gelegenheit auch die humorlosen Urchristen endgültig ausrotten«.
Diese Schnurre steht in einem gerade erschienenen Buch, das die so heftig ins Hanf schießende deutsche Literatur über Rauschgifte zur lukullischen Seite hin ergänzt: dem »Haschisch-Kochbuch« von Hans-Georg Behr, das der sonst für Judaica und Erotika ("Zero-Press") zuständige Melzer-Verlag als bibliophil in Rosa und Violett gedruckten Leinenband für die Küche der gehobenen Kiff-Snobiety biete?.
Hasch-Wilmenrod Behr, 33, als Wiener Jung-Dichter traditionsgemäß erst als Literatur-Emigrant in der Bundesrepublik zum Erfolg gekommen, geriert sich seit der Uraufführung seiner Zitaten-Collage »Ich liebe die Oper« im vergangenen Herbst als malerischer Extravagant mit Vollbart und Schlapphut. In einer Uniform, halb Zirkus-Magier, halb Salon-Landsknecht, mit glänzendem Rokoko-Fräckchen überm bestickten Seidenwams, mit Hippieketten, martialischem Eisengürtel und Knobelbechern, baut er sich zielstrebig auf als lustige Pop-Figur.
Die Kreativität des Schnell- und (durch heftige Plagiatsvorwürfe bekannt gewordenen) Abschreibers, der auch als fideler Flunkerer geschätzt wird, soll sich nach drei Theaterwerken, einer Sammlung von Wirtinnen-Versen (unter dem Pseudonym »Peppo Freiherr von Voegelin") und dem »Haschisch-Kochbuch« demnächst noch steigern: Behr, der mit unerbittlich lächelndem Wiener Charme in München eine Kommune regiert und zur Pop-Kunst produzierenden »Factory« läutern will, schreibt augenblicklich »einen deutschen Porno« und einen »richtig guten« Roman (für den Verlag Hoffmann und Campe), bereitet ein farbiges Photo-Buch vor und (in Bonn) die Inszenierung des »Hamlet von Shakes-Behr« -- »ein ungeheures Popfest«.
Im Hinterzimmer einer Frankfurter Teestube bot Behr in der letzten Woche Kostproben seiner Küchen-Künste: Bei »Kinderpunsch« und sü-
* Hans-Georg Behr: »Haschisch-Kochbuch«. Melzer Verlag, Darmstadt; 80 Seiten; 18 Mark.
ßem Hasch-Naschwerk wurde sein Kochbuch präsentiert.
Indes, mehr Effekt als Behrs Backwaren, die in Frankfurt niemand so recht »high« oder gar »stoned« machten, versprechen andere Gerichte aus seinem Buch, das der junge Künstler selbst mit einphallusreichen Illustrationen im Psychedelo-Jugendstil versehen hat.
Neben altbekannten Leckereien, wie Schokoladenpudding, Plumpudding, Bohnenpüree oder Bratäpfeln, denen nur jeweils ein Eßlöffel Shit zugesetzt wird, gibt es allerhand exotische Pikanterien: Vasai-Sumono, Sambal hati hati, Nebukadnezars Traum oder Faruks Pimmel.
Behr, der sich gern 17jähriger Hascherfahrung rühmt, von Albert Paris Gütersloh zum Kiffen angeregt sein worden will und von einer Zeit schwärmt, da er »mit Beduinenstämmen durch Afghanistan« gezogen sei, hat sich zu dem Buch durch amerikanische Vorlagen und deUtsche Untergrund-Drucke, nun ja, inspirieren lassen.
Dennoch, der gute Pot (oder Shit oder Hasch; und wenn es Marihuana ist: Gras, Griffs, Mary Jane, Hay) dient auch zu aparten, neuen Küchen-Kreationen für die Gourmets der in Deutschland immer noch stark expandierenden »High«-Society. Behr empfiehlt »Leber für Ahnungslose«, »Salzburger Nockerin für Fortgeschrittene« und den »Hieronymus -- Bosch-Trip für besonders Experimentierfreudige«, er beschreibt
»Samenpfannkuchen« ("Ein seltsames Frühstück für drei Personen, das den Tag gut beginnen läßt") und einen wirkungsvollen »Weihnachtspudding": »Jener ist mit Vorsicht zu genießen und bringt eine mittlere Familie heil über die christlichen Feiertage.«
Nicht alles freilich, was in diesem Kochbuch steht, ist auch eßbar. Das Rezept für »Satanssalbe« etwa ("direkt aus dem Mittelalter übernommen"), zu dem neben 4 Gramm Haschisch, 2 Gramm Belladonna, 26 Gramm Marihuana und 25 Gramm Klatschmohn (Opium-Blüte) auch »10 Gramm Menschenfett« (Behr-Anweisung: »Nimm Hühnerfett") gehören, schreibt vor, damit »den Solar plexus, Halsansatz, Arm- und Kniekehlen, Handflächen und Fußsohlen« einzureiben und warnt: »Nie davon naschen!!!«
Diese Vorsicht hat ihren Grund: Die Salbe diente früher Hexen »als Reisemittel zum Blocksberg, und« -- so Kiff-Kenner Behr -- »nach meinen Erfahrungen reichte sie dazu durchaus«.