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FERNSEHEN Ein paar Nullen mehr

Eine der spektakulären Wirtschaftsaffären der Nachkriegszeit, die Pleite des Grafen Galen und seiner SMH-Bank, kommt als Zweiteiler ins TV.
aus DER SPIEGEL 23/1989

Die Story glitzert wie Serien-Talmi, pures Guldenburg: Der Sohn eines Schlossers rafft in den USA mit List und Tücke ein paar Millionen zusammen, erscheint wie Lohengrin auf der deutschen Wirtschaftsszene, kauft mit viel Chuzpe und wenig Geld ein paar marode Baumaschinenfirmen zusammen, bis dem vom Banken-Establishment Beargwöhnten der große Coup gelingt.

Ein vornehmes privates Geldhaus adelt den hasardierenden Wirbelwind mit Krediten. Von da an rotiert das Geldkarussell immer schneller, alle Sicherungen brennen durch. Der Konzernmagier zaubert immer skrupelloser sein potemkinsches Firmenreich zusammen, der verhexte gräfliche Bankvorsteher, angetrieben von einer unersättlichen Frau, pumpt risikoblind so große Geldmengen in den Schwindel, bis jedes Maß von Seriosität gesprengt ist. Der große Crash kommt unvermeidlich.

An dieser Geschichte, man erinnert sich, ist wenig erfunden. Horst-Dieter Esch hieß der Unternehmerstar, der ein Zocker war, Ferdinand Graf von Galen, Adel vernichtet, spielte den Part des sorglosen Chefs der Privatbank Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co. (SMH), der 1983 mit fast einer Milliarde Mark verlorener Kredite die Luft ausging.

Was damals gerichtsnotorisch wurde, das Ränkespiel aus Schwindelgeschäften und kreditwirtschaftlichem Schlendrian hinter den Prachtfassaden der Geldtempel, schien so hanebüchen, daß man jeden Erfinder einer solchen Geschichte als hemmungslos übertreibenden Kolporteur abgetan hätte.

Und doch reizte der Stoff die Medien. Warum nicht zugreifen, wenn sich die Wirklichkeit schon selbst als Dallas inszeniert? Allerdings: Was gibt es noch zu erfinden, wenn sich die Wahrheit bereits als Dichtung darbietet?

Klaus Pohl, 37, Schauspieler und preisgekrönter Nachwuchs aus dem Autorenstall des Chefs im Hamburger Thalia Theater Jürgen Flimm, machte sich an die mediale Verwertung der SMH-Geschichte. Der gelernte Gemüsehändler hatte seit je ein Faible für Blitzkarrieristen, Börsenzocker und andere Pleitokraten. In seinen Stücken »Das Alte Land«, »La Balkona Bar«, »Hunsrück« und vor allem der Gaunerklamotte »Der Spiegel« hatte er das Thema Betrug und Selbstbetrug variiert.

Doch als vor gut einem Jahr sein Galen-Esch-Theaterstück »Heißes Geld« in Hamburg und später in Frankfurt herauskam, überwog bei der Kritik Enttäuschung. Nicht »Adlerfedern, sondern Sperlingsflaum« sah etwa die »Frankfurter Rundschau« auf die Bühne herabtrudeln, so unscharf und harmlos erschien ihr diese Komödie vom Höllensturz der Betuchten. Schwache Inszenierung und hilflose Schauspieler taten ein übriges.

Doch diese Pleite mit der Pleite schreckte den WDR nicht. Im Auftrag des Senders produzierte Regina Ziegler nach einem Drehbuch von Pohl für vier Millionen Mark einen süffigen Zweiteiler mit dem teuren Titel »Milliardenspiel"*.

Unter der Regie von Peter Keglevic treten Spitzenschauspieler an, um der Geld-Götterdämmerung den nötigen Glamour zu verleihen. Ulrich Tukur hechelt, hetzt und poltert hinter dem Profit her, als sei sein Rollenvorbild Esch ein verfrühter Yuppie gewesen.

Sissy Höfferer, seine ewig unzufriedene Seelenschwester auf der Seite des Geldes, macht aus der vorlauten und arroganten Gräfin Anita von Galen einen Protzpunk, ähnlich irgendeiner Gloria von Tut und Taugt Nichts. Vor lauter Affektiertheit und trotz jeder Menge von Verruchtheitsakrobatik in schrägen Nachtbars erreicht sie allerdings nie die erstrebte Femme-fatale-Gefährlichkeit.

In der Welt der Banker dagegen weht bei Pohl und Keglevic heiter und entspannt der exklusive Hauch der Trottlichkeit. Albrecht Maybach, so hat Pohl den Grafen umbenannt und entadelt, hat bei dem Darsteller Friedrich von Thun die geistige Schlichtheit eines Graf-Bobby-Witzes, als funktionierte eine Bank trotz ihrer Vorsteher. Wenn er vom günstigen »ökonomischen Datenkranz« plaudert, amüsiert man sich köstlich, wenn er, einen großen Spielzeuglöwen beim Geburtstag seiner Tochter in der Hand, von Hiobsbotschaften überrascht wird, spürt man die Absicht.

Falk Schönwald, dem mit in die Pleite gezogenen Bankier Alwin Münchmeyer nachempfunden - das hätte in dieser Wirtschaftsfarce eine ernst zu nehmende Figur werden können. Tatsächlich war der wirkliche hanseatische Oberbanker skeptisch gegenüber der Verstrickung des von seinem Sohn mit geleiteten Bankhauses in die Esch-Fänge. Und mit Hans-Christian Blech stand für die Rolle ein Schauspieler zur Verfügung, der einen Senior glaubhaft machen kann. Doch auch er bricht aus dem Rollenmuster des Drehbuches nicht aus, das Seniorität mit Senilität infiziert.

Auch jene den Protagonisten dienenden Chargen wie Vadim Glowna, der ständig besorgte Esch-Buchhalter und »Fleisch gewordene Vorwurf«, den sein Chef selbstherrlich mit einem »tapp, tapp, tapp« zum Laufen bringt, oder Rüdiger Vogler als Bank-Adlatus, den, weil er gewettet hat, wer das billigste Beinkleid findet, die Hose wie eine Hummerschere kneift und der zu allem und jedem »Va bene« sagt, stützen den festgefügten Kosmos des Pohl-Stücks, in dessen Wirtschaftsbild es neben Charakterschweinen nur Trottel und Obertrottel gibt.

Pohl hat die wirtschaftlichen Hintergründe des SMH-Zusammenbruchs auf ein die Grenze der Verständlichkeit unterschreitendes Maß zurückgestutzt. Was die da machen, kriegt der Zuschauer so genau nicht mit, nur daß es irgendwie faul ist. Damit verfehlt das zum Typenkabinett erstarrte Spiel aber gerade, was die wirklichen Vorgänge so spannend machte: das hektische Firmenmonopoly des Horst Dieter Esch, auf das die Banker hereinfielen, weil sie über Factoring, Bewertungs- und Bilanztricks nach und nach den Überblick verloren.

Pohl vergröbert schadenfroh die Täter und Opfer der SMH-Story auf Dallas-Format. Was aber seriöse Wirtschaftsbosse zu Trotteln, Banker zu Gamblern macht, die durch Systemzwänge wirtschaftlichen Handelns sich gefährlich verstärkenden Irrationalismen, deren langsam beginnende und später alles verschlingende Dynamik, hält Pohl zum Schaden des Ganzen für nicht unterhaltsam genug.

Vor Jahren schrieb Wolfgang Menge mit seinem »Millionenspiel« Fernsehgeschichte, weil er ein Stück Medienentwicklung satirisch überhöhte und so Tiefenschärfe gewann. Klaus Pohls »Milliardenspiel« greift im Titel nach ein paar Nullen mehr, ohne daß dies eine Wertsteigerung anzeigt.

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