BÜCHER Elegant gelöst
Und wir hatten gedacht, wir hätten sie hinter uns. Irrtum. Mit der Hartnäckigkeit eines Perpetuum-mobile-Erfinders und mit der ihr eigenen, gewissermaßen somnambulen Cleverness ist Esther Vilar noch einmal auf ihr Erfolgsthema zurückgekommen -- auf jene fixe Idee, die darin besteht, die Behauptung, Frauen würden von Männern unterdrückt, eine fixe Idee zu nennen und das Gegenteil zu behaupten.
Noch einmal also die schon zweimal ("Der dressierte Mann«, »Das polygame Geschlecht") gut verkauften Sottisen über die müßiggehende Frau, die den Mann zum Arbeitstier abrichtet und als »Versorger« ausbeutet, über den Mann, der sich vom »Gejammer« der Frau über ihre angebliche Unterprivilegierung von den wahren Machtverhältnissen ablenken läßt.
Noch einmal auch die antifeministischen Übertreibungen gegen die Übertreibungen der Feministinnen. Man muß kein Pascha sein, um Frau Vilars Bemerkungen über Frauen, »die ihren Familien Knall und Fall davonlaufen, um sich zu »verwirklichen' ... die mal Kinderläden gründen und dann wieder Boutiquen eröffnen« -- um derlei Bosheiten einigen Spaß abzugewinnen. Man muß aber auch kein Emanze sein, um ihr zur Gesellschaftstheorie ausgewalztes Apercu von der »Dressur« des Mannes durch die Frau nach so vielen Wiederholungen abgeschmackt zu finden.
Allerdings, die Autorin hat auf ihrem Grundeinfall, diesem tönernen Füßchen, mit kühner Weitläufigkeit weitergebaut. Nun zeigt sie uns, »wie die weibliche Vorherrschaft (loch noch gebrochen werden kann«, zeigt uns den Weg zu einer »neuen Männlichkeit«, zum »Ende der Dressur«, ja schließlich mehr als das: Ihr neues Buch enthält nichts Geringeres als die Lösung fast aller gesellschaftlichen Probleme der Gegenwart.
Das Heil liegt in der »Gleichverpflichtung« von Männern und Frauen zur Berufstätigkeit bei gleichzeitiger Einführung des Fünf-Stunden-Arbeitstages.
Die Folgen dieser »Reform«, wie Frau Vilar sie ausmalt. wären einfach wundervoll: Arbeiten würde angenehmer, Freizeit interessanter, Männer würden potenter und zärtlicher, Frauen selbständiger und klüger, Ehen nur noch aus Liebe geschlossen, Scheidungen undramatischer, die Kriminalität nähme ab, der Kunstsinn zu, die Kindheit wäre glücklicher, das Alter schöner und der Frieden sicherer.
Und Architekten, die nur als Lastwagenfahrer Arbeit fänden, hätten immerhin »nach Feierabend noch genug Zeit, sich neuartige Konstruktionen auszudenken« ...
Haben wir Frau Vilar vielleicht doch unterschätzt?
Diese Systemverändererin weiß durchaus auch um Schwierigkeiten, und sie unterschlägt sie nicht. »Die Sozialausgaben«, so weiß sie zum Beispiel, »wurden steigen.« Jedoch: »Auch das wäre kein unlösbares Problem:' Gewiß, die Vilar-Reform wäre »für einen Staat eine gigantische Aufgabe«. Indes: »Bei entsprechender Organisation ließe sie sich bewältigen.«
Es ist hier nicht der Platz, darzutun, wie Esther Vilars Problemlösungen im einzelnen beschaffen sind. Man darf uns glauben: Sie sind erstaunlich; mit Adolf Hitler zu reden: lauter Eier des Kolumbus. Nur ein Beispiel für ihren Scharfsinn in Detailfragen: Dank des Fünf-Stunden-Arbeitstages' der dadurch ermöglichten gleichmäßigen Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen und der wiederum dadurch erleichterten Ehescheidung »wäre auch das Problem der Junggesellen auf elegante Weise gelöst: Es gäbe weniger«.
Und noch eines für ihre generelle Durchsicht: »Politik ist ein Metier, das ohne weiteres von Frauen beherrscht werden könnte ... die Entscheidungen, die zu fällen sind, werden mehr oder weniger von den Ereignissen vorgezeichnet.«
Kein Zweifel, Frau Vilar kann für einen Sitz im Kabinett Schmidt wärmstens empfohlen werden.
Rolf Becker