BÜCHER / NEU IN DEUTSCHLAND Erfüllte Hühner
Grete Weil: »Happy, sagte der Onkel«. Limes; 112 Seiten; 8,80 Mark
In Los Angeles besucht die Jüdin aus Deutschland Onkel und Tante. In einem Häuschen am Stadtrand verzehren die beiden ihr Wiedergutmachungsgeld und plappern von Freiheit und democracy. In dieser Ionesco-Idylle ist Auschwitz ein »dirty word«.
Auch in Harlein bleibt die Reisende eine Fremde: Der freundliche, gospelsingende Negerdaddy, in dessen Familie sie zu Gast ist, weist der Jüdin die Tür. als er von ihrer Konfession erfährt.
In Mexiko endlich glaubt sie in einem Fremdenführer den SS-Mann wiederzuerkennen, der einst den Todestransport bewacht hat, aus dem sie flüchten konnte. Aber sie nimmt seine Rechtfertigungs-Suada in Gedanken vorweg und verzichtet darauf, ihn zur Rede zu stellen.
Daß der Mensch ein Umhergetriebener, Heimatloser sei und der »ewige Jude« sein Archetypus. kennt man aus weit schlechteren Büchern. Grete Weil, die 1933 ins holländische Exil ging und die Besatzungszeit im Versteck überlebte, hält ihre autobiographischen Erzählungen in der Schwebe zwischen lakonisch-larmoyanter Bitterkeit und heiterer Resignation. Sie beherrscht die Kunst des Aussparens« und leicht gelingen ihr Porträts, Skizzen von Landschaften und Interieurs.
Aber leicht verschreibt sie sich auch. wo sie ihrer Schwäche für erlesenen Sinnenreiz und kostbare Formulierungen allzu willig nachgibt: »Ungeahnte Möglichkeiten des Auslaufens, Scharrens, wie mußte der Sand in die Höhe stieben, wo sonst auf der Welt war es Hühnern gegeben, sich scharrend so zu erfüllen?