BÜCHER / NEU IN DEUTSCHLAND Eros vorbei
»Kesten«, so neckte Robert Neumann, »erweist sich In diesem neuen Band -- seinem besten, wie stets zuvor -- schon wieder als der Wortführer, ja der Vorwortführer der deutschen Literatur ... Es ist nicht verwunderlich, daß in Verlegerkreisen der Plan ventiliert wird, die eigentlichen Bücher in Zukunft wegzulassen und nur mehr Kestens Einleitungen zu drucken.«
Neumann, selbst ein Großmeister In der permanenten, publizistischen Reproduktion alter Texte, rezensierte so -parodistisch, versteht sich -- ein fiktives Kesten-Huch: »Hermann Kesten: Die Gesammelten Vorworte. Mit einem Vorwort von Hermann Kesten«.
In Kestens neuen »Beobachtungen unterwegs« (so der Untertitel) sind neben Vorworten des leidenschaftlich tätigen Einleiters (seine Spanne reicht von »Die wirkliche Welt« bis »Ich war Tucholskys Lottchen") freilich auch Zeitungsartikel, Rundfunkbeiträge und Vorträge, ein ausgeschiedenes, aber schon Im »Twen« gedrucktes »Kopernikus«-Kapltel und Anthologie-Zulieferungen enthalten -- Gelegenheitsarbeiten zumeist aus den letzten Jahren.
Neu in diesem Buch (Kestens zwanzigstem seit 1950) ist, wahrscheinlich jedenfalls, das Vorwort, in dem der Dichter über den Titel meditiert: »Wer lebt«, so findet er, »Ist ein unheilbarer Optimist.« Und für sich selber hat er noch bessere Gründe, »voller Hoffnung« zu sein: »Jeden Morgen wache ich auf und blicke zur Tür, tritt nicht der Messias ein, und schaue zum Fenster hinaus, geht nicht Aphrodite vorbei, oder Eros?«
Optimistischer, wahrhaftig, kann keiner.