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Gestorben Evelyn Richter, 91

aus DER SPIEGEL 42/2021
Foto:

Evelyn Richter / bpk

Sie fotografierte Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln, bei der Arbeit, auf der Straße – und dokumentierte gleichzeitig auch den Verfall der DDR. Ein gutes Bild müsse die Kraft des Erlebnisses enthalten, Emotionen verdichten und Inhalte transportieren, war ein Credo ihrer Arbeit. Richter kam 1930 im ostsächsischen Bautzen zur Welt. Nach einer Ausbildung in Dresden begann sie ein Studium in Leipzig an der Hochschule für Grafik und Buchkunst. Sie wurde jedoch exmatrikuliert, weil der Leitung ihre Kommilitonenporträts als zu hoffnungslos erschienen. Ihre Fotografie ließ sich selten mit den Vorstellungen des sozialistischen Staates vereinbaren: Sie zeigte Schichtarbeiter, die erschöpft von der Arbeit heimkehren, leere Plattenbausiedlungen und Industrielandschaften. Es sind Antitypen in Schwarz-Weiß, die wenig gemein haben mit utopischen Vorstellungen und heroisierender Ästhetik. Richter zeigte, was sie sah, und nicht, was man damals gern sehen wollte. 1981 kehrte sie an die Hochschule zurück, von der sie einst verwiesen worden war. Sie erhielt einen Lehrauftrag für Fotografie, 1991 wurde daraus eine Ehrenprofessur. Die Fotografin reiste viel, als sie reisen konnte; es entstanden Serien aus Moskau, New York und Venedig. Ein großer Teil ihrer Arbeiten wird seit 2009 in einem eigenen Archiv im Museum der bildenden Künste in Leipzig aufbewahrt. Evelyn Richter starb am 10. Oktober in Dresden.

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