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Michael Jürgs über sein Journalistenleben "Zu viele von uns glauben, sie seien was Besseres"

Michael Jürgs war Chefredakteur, Bestsellerautor. Er hat die Bhagwan-Sekte gejagt, Romy Schneider porträtiert und gegen die Wiedervereinigung geschrieben. Nun ist er schwer krank und zieht im Interview Bilanz.
aus DER SPIEGEL 16/2019
Michael Jürgs

Michael Jürgs

Foto: Philipp Schmidt / DER SPIEGEL

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Hamburg-Harvestehude, eine Altbauwohnung, das klassische Habitat für die Medienleute seiner Generation: Hier wohnt Jürgs, 73. Der Hamburger begann seine Karriere in München, nach weiteren Stationen, unter anderem beim "Stern", ist er einer der bekanntesten Journalisten des Landes. Das liegt an Bestsellern wie seinen Büchern über Romy Schneider oder Axel Springer, aber auch daran, dass er sich regelmäßig politisch geäußert hat. Im August 2018 machte Jürgs öffentlich, dass er an Krebs erkrankt ist. Vergangene Woche wurde bekannt, dass er für sein journalistisches Lebenswerk den Theodor-Wolff-Preis erhält.

SPIEGEL: Herr Jürgs, Sie haben Ihre Karriere jung begonnen, mit 23 Jahren wurden Sie Feuilletonchef der "Abendzeitung" in München. Wie kam das?

Jürgs: Neben dem Studium haben mein Freund Michael Naumann, der spätere Kulturstaatsminister, und ich eine Zeitschrift gemacht. Handgeschrieben, hektografiert. Der Verkauf in der Universität wurde sofort wegen vorgeblich kommunistischen Inhalts verboten. Dadurch war ein gewisser Skandal in der Stadt. Wir bekamen beide ein Volontariat. Ich bei der "Abendzeitung". Nach drei Jahren, da war ich 23, stellte sich beim Wechsel des Feuilletonchefs die Frage: Wer wird sein Nachfolger? Nehmen wir doch mal den! Es begann eine aufregende Zeit. Weil ich jung war und alle im Ressort viel älter waren als ich, darunter berühmte Kritiker. Bedeutend. Wir hatten 300.000 Auflage, etwa 17 Prozent der Käufer lasen das Feuilleton, was für eine Boulevardzeitung sensationell war. Ich schwamm auf einer Erfolgswelle. Bamm!

SPIEGEL: Das war 1968, keine andere bundesdeutsche Stadt hatte damals einen derartigen Swinging-Sixties-Zauber wie München. Saßen Sie kiffend mit den Hippies im Englischen Garten?

Jürgs: Eher nicht. Stattdessen haben wir demonstriert. Ich fuhr damals einen NSU Wankel Spider, dunkelrot, flach. Begleitete bei den Demos gegen den Vietnamkrieg die Sprechchöre mit gehuptem "Ho, Ho, Ho Chi Minh".

SPIEGEL: Sie haben im Sportwagen demonstriert?

Jürgs: Ja. Und wenn die Bullen – ein Begriff, den ich heute nicht mehr benutzen würde – herangestürzt kamen, zeigte man ihnen den Presseausweis nach dem Motto: Ihr könnt mich mal! Ich kann mich an eine Demonstration gegen Notstandsgesetze der damaligen Großen Koalition erinnern, als der Herausgeber Werner Friedmann uns zusammenfaltete: Was macht ihr hier in der Zeitung? Euer Platz ist jetzt auf der Straße. Stellen Sie sich das heute mal vor.

SPIEGEL: Ihren Posten als Feuilletonchef waren Sie aber schnell wieder los.

Jürgs: Eines Tages kaufte der Bankier Finck, berühmter Reaktionär, rechts ist gar kein Ausdruck, eine gesamte Aufführung in der Münchner Oper, und es durften keine Journalisten rein. Wir haben es trotzdem geschafft, darüber zu berichten. Der erste Satz lautete: "Gestern Abend saß ein gelangweiltes Geldpublikum ..." Am anderen Morgen wurde ich zum Chefredakteur gerufen, und der fragte mich: "Michael, wollen Sie als Korrespondent nach London oder die Seite drei übernehmen?" Da sagte ich: "Ich bin Feuilletonchef." – "Sie waren Feuilletonchef." Ich wählte die Seite drei, war aber mit 24 zum ersten Mal entlassen worden. Das hat sich ja später wiederholt, wie Sie wissen.

SPIEGEL: Beim "Stern". Dort wurden Sie 1990 als Chefredakteur abgelöst, und zwar, so die Legende, weil Sie nach der Wiedervereinigung im Editorial gefragt hatten: "Sollen die Zonis bleiben, wo sie sind?"

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