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ANTHROPOLOGIE / RASSEN Fälliges Thema

aus DER SPIEGEL 39/1967

Salcia Landmann fürchtet, daß man sie bald »von verschiedenen Seiten her anfallen wird«. Ihr nächstes Buch heißt: »Die Juden als Rasse"*.

Angriffe sind der promovierten Philosophin, Judaistik-Forscherin, diplomierten Mode-Graphikerin, Kochbücher-Autorin und Pilzsammlerin freilich nicht fremd. Ihr 1960 erschienenes Buch »Der jüdische Witz«, inzwischen längst ein Bestseller, fand keineswegs ungeteilten Zuspruch.

Zwar lobten es Autoritäten wie der Historiker Professor Otto Forst de Battaglia und FAZ-Kritiker Friedrich Sieburg, beide inzwischen verstorben, doch andere mäkelten: der Wiener Publizist Friedrich Torberg an ihrer Philologie des Jiddischen und Willy Haas in der »Welt« am Geschmack der Autorin ("Darf man solche Witze überhaupt noch erzählen?").

Sie selber schwieg dazu und tat nur privat milden Kummer kund: »Was tut man, wenn man in aller Öffentlichkeit von einem Floh gebissen wird? Kratzen oder nicht kratzen? Beides ist unangenehm.«

Daß solcher Kummer, der, alte und der, den sie nun erwartet, sie jedoch nicht ganz, unverdient trifft, gibt Salcia Landmann jedenfalls auf Umwegen zu: »Ob ich will oder nicht -- Ich rutsche immer wieder ganz automatisch in die Aufgabe hinein, tabuisierte Begriffe und Sachgebiete aus dem judaistischen Bereich zu enttabuisieren.«

So beurteilt Salcia Landmann -- sie wohnt In St. Gallen in einer Straße,

* Salcia Landmann: »Die Juden als Rasse«. Walter Verlag, Olten/Schweiz; 324 Seiten; 22 Mark.

die nach dem schweizerischen Selbstaufopferer und Nationalhelden Winkelried benannt ist -- auch ihr neues Buch als einen zwar riskanten, aber immerhin heute möglichen Enttabuisierungs-Akt, diesmal am Begriff der Rasse.

»Zwanzig Jahre Abstand seit der Vernichtung der Juden Europas«, meint sie, »mögen dafür ausreichen, daß wir es heute wagen, den Begriff Rasse im Zusammenhang mit den Juden wieder auszusprechen und für eine historische Analyse des jüdischen Volkes fruchtbar zu machen.«

Anregungen dazu hat sie auch ihrem familiären Milieu entnommen. 1911 in der Donau-Monarchie geboren, wurde sie während des Ersten Weltkrieges mit Ihren Eltern nach St. Gallen verschlagen. Später heiratete sie den Sproß einer jüdischen Baseler Gelehrten-Familie, den heutigen Berliner Philosophie-Ordinarius Michael Landmann.

In Landmanns Familie hatte in den zwanziger Jahren Stefan George, der cäsarische Lyriker, verkehrt, zu dessen Münchner Freundeskreis zeitweilig die rassistischen Mystagogen Ludwig Klages und Alfred Schuler, aber auch viele Juden, wie zum Beispiel der in Neuseeland verstorbene Schriftsteller Karl Wolfskehl, gehörten. Der von diesem Kreis geprägte Begriff der »Blutleuchte« (soviel wie »Rassenseele« bedeutend) kommt denn auch in Salcia Landmanns Buch vor -- freilich als ein Objekt des Spottes.

Tatsächlich bemüht sich Frau Landmann, in ihrem Buch alle Vorsichtsmaßregeln einzuhalten, die beim Umgang mit dem belasteten Begriff Rasse -- und dann noch in Verbindung mit dem Judentum -- angezeigt erscheinen müssen.

Zwar hält sie die Existenz von Menschen-Rassen für eine Selbstverständlichkeit, doch erklärt sie -- entgegen den NS-Rassisten -- die Rassen-Mischung für fruchtbar: »Damit neue Kulturen aufflammen, bedarf es einer geeigneten Rassenmischung.«

Zwar ist sie, wie die NS-Ideologen« von der gegenseitigen Entsprechung seelischer und körperlicher Eigenschaften überzeugt, doch stellt sie eine relative geistige Selbstbestimmung des Menschen nicht in Frage.

Zwar hält sie sogar für erlaubt, Rassen zu »werten«, aber nur in dem Sinn, ihnen bestimmte Eigenschaften und Begabungen zu- oder abzusprechen.

Alle jüdischen Maler und Bildhauer könnten, meint sie, ohne Verlust aus der europäischen Kulturgeschichte gestrichen werden -- niemals aber die jüdischen Denker und Naturwissenschaftler.

Das wirkliche, nun auch wissenschaftlich riskante Abenteuer des Landmann-Buches besteht in dem Versuch, die religiösen, philosophischen, wissenschaftlichen und politischen Leistungen der Juden auf jene Rassen zurückzuführen, aus denen das jüdische Volk gemischt sei.

Der rassische Grundstock der Juden entstand, Frau Landmann zufolge, nachdem die von Moses »rebeduinisierten« Hebräer im 13. Jahrhundert vor Christi Geburt in Palästina eingefallen waren und sich mit den dort ansässigen Kanaanitern, zumeist »vorderasiatischer« ("armenoider« oder »assyroider") Rasse, mischten.

Unbeschadet späterer Beimengungen mongoloider, turkischer, ostbaltischer und anderer Herkunft glaubt Salcia Landmann, die Juden als vorwiegend beduinisch und vorderasiatisch zu erkennen.

Nach ihrer Ansicht waren die in Deutschland und Osteuropa lebenden Juden, die sogenannten Aschkenasim, überwiegend vorderasiatisch, die auf der Pyrenäen-Halbinsel und später in ganz Westeuropa wohnenden Sephardim vor allem beduinisch.

Die Beduinen waren laut Salcia Landmann zumeist langschädelig und schlank, die Vorderasiaten rundköpfig und untersetzt.

Diesen körperlichen Rassenmerkmalen glaubt nun Frau Landmann bestimmte geistige Merkmale und entsprechende Leistungen zuordnen zu können --

> den beduinischen Langschädeln: kriegerisch -- grausamen Geist, aristokratisch gemäßigte Gestik, Sinn für Logik, Mathematik und empirische Forschung, Glaube an einen männlich-harten Schöpfergott, mangelhafte optische Begabung, diesseitigen Realismus (keine Jenseits-Erwartung und deswegen Rache-Prinzip), Abneigung gegen Liebes- und Weinrausch;

> den vorderasiatischen Rundschädeln: ein weiches Gemüt, erzählerische und psychologische Begabung, gefühlvolle Mystik, lebhafte Gestik, Entwicklung von religiösen Vorstellungen, in denen es ein Leben nach dem Tode (deswegen kein Rache-Prinzip auf Erden) und die Verehrung mütterlicher Gottheiten gibt. Der Rausch der Mystik und der Liebe wird ebenso geschätzt wie der des Weines.

Auf diesem Wege kommt Frau Landmann zu der Feststellung, daß etwa die Liebes-Religion Jesu Christi und die Psychoanalyse Sigmund Freuds rassisch »vorderasiatischer« Herkunft seien, während etwa die streng rationalistische ("more geometrico demonstrata") Philosophie des Baruch de Spinoza (1632 bis 1677) auf vorwiegend beduinische Ahnen verweise.

Kafkas starkes Sündengefühl reflektiert, laut Frau Landmann, das vorderasiatische Erbe, seine trockene juristische Sprache und die Tatsache, daß sein Werk keine Farben kennt, das beduinische Element des Schriftstellers.

Abgesehen von solchen gelegentlichen Parforce-Theorien, geht Frau Landmann jedoch behutsam vor. So stellt sie selbst in Frage, ob die mangelnde optische Begabung der Juden unbedingt eine Rasseneigenschaft sei. Diese Eigenschaft könnte sich auch, meint sie, aus der nomadischen Lebensweise der Beduinen und aus deren Umwelt -- der kahlen Steppe -- erklären. Das religiöse Bilderverbot könnte dann den so erklärbaren Mangel zu einer Gewohnheit gemacht haben, die auch bei einer seßhaften Lebensweise beibehalten wurde.

An anderer Stelle leitet Frau Landmann -- entgegen ihrem rassischen Ansatz -- die religiöse Hoffnung der kanaanitischen Rundköpfe auf ein Leben nach dem Tode aus Umweltbedingungen ab: aus deren bäuerlicher Lebensweise, aus dem Umgang mit dem Saatkorn, das in die Erde versenkt wird, um dann eines Tages wieder ans Licht zu kommen.

»Es lassen sich auf »dem Gebiete der Rassenlehre«, so gesteht denn auch Frau Landmann, »nur selten so stringente Beweise liefern wie in den exakten Wissenschaften.«

Gleichwohl ist sie von der Notwendigkeit einer rassischen Betrachtung der Juden überzeugt. Frau Landmann: »Das Thema war fällig.«

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