Feministische Kampagne Hilferufe an den Mauern von Paris

Plakatkampagne in Paris: "Frauen sind nicht zu verkaufen"
An den Häuserwänden von Paris werden Passanten nun schon seit einigen Wochen mit bitteren Wahrheiten konfrontiert. "Frauen schreien. Der Staat schweigt", oder: "Sie ist nicht angezogen wie eine Schlampe. Sie denken wie ein Vergewaltiger" - für Botschaften wie diese bekommt eine feministische Plakatkampagne derzeit viel Aufmerksamkeit.
Die Plakatierungen in Street-Art-Manier sind aus weißen Din-A4-Papierbögen gefertigt. Sie zeigen einzelne Großbuchstaben, die nebeneinander Slogans über Vergewaltigung, sexuelle Belästigung und Femizide ergeben.
"Am Anfang haben wir unsere Botschaften an Politiker gerichtet und sie aufgefordert, gegen häusliche Gewalt vorzugehen", sagt Marguerite Stern, 29, die die Kampagne initiierte, indem sie mehrere Posterbotschaften in der Stadt verteilte und Fotos davon in sozialen Netzwerken veröffentlichte.
Während die Regierung "nichts Konkretes getan" habe, so Stern, hätten die Plakate vielen Frauen ein Forum gegeben und dazu beigetragen, ihre Herangehensweise an öffentliche Räume zu ändern, sagt Stern. "Sie helfen sowohl denen, die die Plakate anbringen, und auch denen, die einfach vorbeigehen und die Nachrichten sehen, weil sie das Gefühl haben, nicht mehr allein zu sein."
"Wir wurden mit Eiern beworfen"
Obwohl Frankreich im August 2018 als erstes Land ein Gesetz zur Bestrafung öffentlicher sexueller Belästigung verabschiedet hat, sagen Frauen, dass sie weiterhin auf der Straße Beschimpfungen, Beleidigungen und Gewalt ausgesetzt sind.
Frankreich hat nach Deutschland außerdem die zweithöchste Femizidrate in Europa, das zeigen Daten des Europäischen Amtes für Statistik. Stern textete daraufhin: "Julie wurde am 03.03.2019 von ihrem Ex getötet. Sie hatte fünf Beschwerden eingereicht."
Ein Viertel der französischen Frauen zwischen 18 und 29 Jahren hat Angst, wenn sie auf der Straße sind, mehr als 20 Prozent werden mindestens einmal im Jahr belästigt. Dies geht aus einem Bericht des INSEE-Statistikbüros des Landes aus dem Jahr 2019 hervor. Eine Regierungsstudie ergab, das fast 70 Prozent der in der Region Paris lebenden jungen Frauen bereits in der Öffentlichkeit sexuell belästigt wurden.
Auch Chloe Madesta, 27, gehört zu den Pariser Plakatkleberinnen und sagt, ihre Gruppe sei mitunter auch Feindseligkeiten von Männern ausgesetzt, wenn diese sähen, dass Frauen die Poster anbringen. "Wir wurden mit Eiern, Gemüse und allem Möglichen beworfen", sagt sie. "Eine Gruppe von Frauen in Montpellier wurde fast von einem Auto überfahren." Auch würden die Plakate oft abgerissen oder übermalt. Das sehen die Frauen als Bestätigung ihrer Arbeit: "Es bedeutet, dass unsere Botschaft ankommt. Unser Kampf ist noch nicht vorbei."