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AUTOMOBILE Flache Brust

Fiat, in Deutschland wieder die Nummer eins unter den Pkw-Importeuren, will nach Erfolgen in der Kleinwagenkategorie nun auch in der Mittelklasse größere Marktanteile gewinnen. *
aus DER SPIEGEL 40/1983

Felice Cornacchia weiß, was Deutschlands Autofahrer wünschen: »Vor allem Leistung.« Die habe man dem »neuen Mittelklassewagen für die achtziger Jahre« denn auch reichlich spendiert, versicherte der Fiat-Entwicklungsmanager aus Turin. Deshalb seien die Spitzenmodelle der neuen Baureihe »Regata« auch allesamt schneller als hubraumgleiche Fahrzeuge anderer Hersteller. Cornacchia: »Das ist unsere Antwort an die Konkurrenz.«

Was Fiat als »völlig neues Auto« präsentiert, ist in Wahrheit ein - wenn auch stark modifizierter - Ableger des bereits 1978 vorgestellten Ritmo, der in der Bundesrepublik vor allem gegen die einheimischen Bestseller VW Golf und Opel Kadett antreten muß.

Mit dem ausschließlich als Viertürer lieferbaren Regata folgen die Turiner einem Trend, den fast alle Marktrivalen seit Jahren nutzen, um die Liebhaber konventioneller Autoformen bedienen zu können. Das Rezept: Man nehme ein bewährtes Schrägheckmodell, verändere die Frontpartie, hänge hinten einen großen Kofferraum an und gebe dem Umbau einen klangvollen Namen, der von dem des Originals deutlich abweicht.

Auf diese Weise entstanden - ohne den für Neuentwicklungen notwendigen Milliardenaufwand - aus den VW-Verkaufschlagern Polo und Golf die Stufenheckmodelle Derby und Jetta. Ford präsentierte jüngst auf der IAA in Frankfurt den Orion - einen für die konservativen Käufer verlängerten Escort.

Renault, Opel, Volvo und einige japanische Produzenten bieten ihrer Kundschaft ebenfalls die Auswahl zwischen Schräghecktypen und technisch oft identischen Parallel-Varianten, bei denen man, wie deutsche Autofahrer bei Umfragen formulierten, »klar erkennt, wo vorne und hinten ist«.

Fiats Regata soll aber nicht nur als Alternative zum Ritmo auf den Markt rollen, sondern auch den kaum noch verkäuflichen Typ 131 ersetzen. Für dieses zehn Jahre alte Mittelklassemodell fanden sich zuletzt in Deutschland nur noch gut 200 Unentwegte pro Monat.

Auch die Turiner haben in bewährter Weise für ihren Regata Fahrwerk, Türen sowie Motor- und Getriebekomponenten aus dem Teilelager der Ritmo-Reihe übernommen. Doch im Gegensatz zu Volkswagen oder Ford, deren Stufenheckmodelle bis zur hinteren Tür jeweils mit der Karosserie ihrer Heckklappenvorbilder identisch sind, haben sich die Fiat-Designer auch noch über die Frontpartie hergemacht.

Was die Karosserieschneider selbst als »harmonische Linie« preisen, wirkt auf neutrale Beobachter eher unausgewogen. »Flache Brust und dicker Hintern«, urteilte ein Testfahrer nach eingehender Begutachtung.

Aber zu Preisen zwischen 15 300 und 18 500 Mark dürften die reichhaltig ausgestatteten Regata-Modelle trotz mancher Design-Mängel genügend Käufer finden, wenn sie von November an auf die Höfe deutscher Händler kommen.

Im 100 PS starken und 180 km/h schnellen Spitzenmodell »100 Super« sind Fünfganggetriebe, elektrische Fensterheber, Zentralverriegelung für Türen und Kofferraum, verstellbares Lenkrad und das heute offensichtlich unvermeidbare »Check-panel« bereits im Kaufpreis enthalten - Extras, für die viele andere Hersteller Aufpreise verlangen.

»Mindestens 20 000 Wagen« wollen die Italiener, ermutigt durch Absatzerfolge mit den Typen Panda und Uno, innerhalb eines Jahres in der Bundesrepublik losschlagen. Ehemalige Kaufhindernisse wie Rostanfälligkeit oder schlampige Verarbeitung seien »ein für allemal ausgemerzt«, behauptet Fiats Deutschland-Direktor Werner Perino.

Neuartige Produktionsverfahren und das sorgfältige Auftragen von PVC-Schichten an besonders gefährdeten Stellen der Karosserie sollen »Korrosionsschutz und lange Lebensdauer« garantieren. Rost, so Perino über das Reizwort einstiger Fiat-Kunden, »ist für uns kein Thema mehr«.

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