Presse Flucht aus dem FAZ-Feuilleton
Neue Krisenstimmung im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen (FAZ): Literaturchef Gustav Seibt, 37, hat überraschend gekündigt und geht als »Redakteur mit besonderen Aufgaben« zur Berliner Zeitung. Seibt ist der vierte aus einer Gruppe rebellischer Redakteure, die binnen weniger Monate das Edel-Feuilleton verließen. Vor allem aus Verdruß über den allzu selbstbesessenen, fintenreichen Kohl-Fan und Herausgeber Frank Schirrmacher, 37, sind bereits Jens Jessen, Stephan Speicher und Jan Roß zur Berliner Zeitung abgewandert. Seit dem vergangenen Frühjahr, als Berichte über Schirrmachers Tricksereien mit seiner Magisterarbeit veröffentlicht wurden (SPIEGEL 20/1996), hatte sich das ohnehin beklemmende Klima im Kulturressort noch verschlechtert. Auf einer Konferenz empfahl Schirrmacher dem Kollegen Konrad Adam, er könne gehen. Adams Replik: »Warum gehen nicht Sie?« Der Querelen müde, wird der langjährige Feuilletonleiter Wilfried Wiegand auf seinen alten Korrespondentenplatz in Paris zurückkehren. Mit dem Auszug der Berlin-Truppe - »Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist« (Seibt) - ist der Exodus aus der FAZ wohl noch nicht beendet. Insider sagen, wenn der ungeliebte und bedrängte Feuilleton-Herausgeber im Amt bleibe, »ist Seibt nicht der letzte, der flieht«.