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BÜCHER Freund im Dorf

Ludwig Homann; »Der schwarze Hinnerich von Sünnig und sein Nachtgänger«. S. Fischer; 216 Seiten; 15 Mark.
aus DER SPIEGEL 47/1970

Die Welt des deutschen Dorfes, als lesebuchreife Idylle einstmals bevorzugter Tummelplatz konservativer Schriftsteller-Phantasie, ist von der deutschen Nachkriegsliteratur kaum noch beachtet worden.

Ludwig Homann, 28, der mehrere Jahre in einer norddeutschen Kleinstadt als Polizist amtierte und 1968 mit »Geschichten aus der Provinz« sein Debüt als Schriftsteller gab, hat in seinem neuen Buch das Versäumte gutzumachen versucht. Eine Ehrenrettung der zwischen ausgemergeltem Brauchtum und Grünem Plan dahinsiechenden deutschen Landwirtschaft ist dabei allerdings nicht herausgekommen. Homann hält sich vielmehr an das traditionsreiche Klischee deutscher Bauern-Psyche: eingefleischtes Mißtrauen gegenüber allem Fremden und Neigung zu handfester bis brutaler Selbsthilfe.

Unter diesen Eigenheiten haben jedenfalls der wunderlich eigenbrötlerische Hinnerich, der sich In SOnnig auf einem, kleinen Hof niedergelassen hat, und sein nachtgängerischer Mieter, ein vor den eigenen psychischen Verwicklungen aufs Land geflohener Student, beträchtlich zu leiden. Das geht bis zu wissentlich falschen Verdächtigungen, Prügeleien und Brandstiftung. Am Ende haben die beiden die Nase voll und verlassen das ungastliche Gemeinwesen.

Doch Homanns Anti-Idylle bleibt gleichwohl eine Idylle und damit herkömmlicher Literaten-Sicht unterworfen. Reduziert auf ihre Irrationalismen, bewegen sich die Dorfmenschen dieses Buches, als seien sie als Bauern kostümiert worden. Ihr Verhalten gegenüber Außenseitern ist nicht unbedingt und allein typisch für die deutsche Landwirtschaft.

So verdient das Homann-Werk Beachtung vor allem wegen des Verfassers wohlberechneter Bescheidenheit, die ihn sein 216-Seiten-Buch als »Erzählung« deklarieren ließ, obwohl ein solcher Umfang für deutsche Jung-Autoren gewöhnlich die Bezeichnung Roman bereits hinlänglich rechtfertigt.

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