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MALEREI / KUPKA Fuge für Farben

aus DER SPIEGEL 18/1967

»Ich glaube«, spekulierte der Maler, »daß ich etwas finden werde, das zwischen Sichtbarem und Hörbarem liegt« -- eine »Figur aus Farben, wie Bach sie aus Tönen geschaffen hat«.

Gemalte Musik wünschte sich Frank Kupka (1871 bis 1957), weil er die Freiheit der ungegenständlichen Tonkunst schätzte. Folgerichtig begann auch er, abstrakt zu arbeiten -- als einer der ersten.

Schon um 1911, etwa gleichzeitig mit dem Russen Kandinsky und dem Franzosen Delaunay, malte der Tscheche Kupka in Frankreich seine frühesten gegenstandslosen Bilder; er gab ihnen Musik-Titel wie »Fuge für zwei Farben« und »Warme Chromatik«.

Der Malpionier, zu Lebzeiten fast unbeachtet, wird neuerdings immer besser gewürdigt, jetzt auch in Deutschland: Im vorigen Sommer stellte die Hannoversche Kestner-Gesellschaft Zeichnungen, Aquarelle und Gouachen von Kupka aus (Direktor Wieland Schmied: »Deutschland hat noch einen bedeutenden Maler zu entdecken"); nun präsentiert der Kölnische Kunstverein die erste große Kupka-Retrospektive -- 110 Gemälde und Gouachen -- außerhalb Frankreichs und der Tschechoslowakei.

Der Überblick, der noch in München, Wien und Amsterdam gezeigt werden soll, verfolgt Kupkas Entwicklung zurück bis zur Jahrhundertwende, Damals schwankte der ehemalige Sattlergeselle, der bei einem böhmischen Lackierer das Farbenreiben sowie in Prag und Wien die akademische Malerei erlernt hatte, zwischen einem photographischen Realismus, der expressiven Kunst Toulouse-Lautrecs und der Fauves und den eher dekorativen Arabesken des Jugendstils.

Die Experimente wurden auch anerkannt: Im Wiener Kunstverein durfte Kupka Gemälde wie »Der letzte Traum des sterbenden Heine« zeigen (1891), und für das Bild zweier nackter Reiterinnen am Strand ("Ballade"), 1904 bei der Weltausstellung im amerikanischen St. Louis präsentiert, erhielt er eine Goldmedaille.

Doch äußere Erfolge konnten den grüblerischen Künstler, der sich 1895 in Paris niederließ und im Ersten Weltkrieg für die Franzosen focht, nicht befriedigen. Während er satirische Zeichnungen, Plakate und Buchillustrationen anfertigte, gab er gleichzeitig Religionsunterricht und verdingte sich als spiritistisches Medium; er las deutsche Philosophen, aber auch Werke über Naturwissenschaften, Astrologie und Okkultismus.

Erdachtes und Erlesenes verarbeitete Kupka schließlich zu frei gestalteten, quasi musikalischen Bildern -- in einer Manier, die nicht, wie bei den übrigen Abstrakten, aus Kubismus oder Fauvismus, sondern unmittelbar aus dem Jugendstil abgeleitet war. So bildet etwa die Farbe auf Kupkas Gemälde »Compliment« (1912) ganz ähnliche rhythmisch abgesetzte Ornamentlinien und -ringe wie das Wasser um den Körper seiner »Badenden« von 1906.

Mit leuchtend buntfarbigen Arabesken malte Kupka, der niemals zur figürlichen Kunst zurückkehrte, pflanzen- oder grottenartige Formen, suggerierte er kreisende, züngelnde oder strömende Bewegungen -- ein Stil, den der Lyriker Guillaume Apollinaire »Orphismus« nannte.

Doch Orphist Kupka pflegte gleichzeitig auch eine andere abstrakte Malweise -- noch vor dem Russen Malewitsch und dem Niederländer Mondrian malte er streng geometrische Kompositionen ("Vertikale Flächen").

Die Neuerungen des Böhmen fanden wenig Resonanz; denn Kupka, der sich früh in den Seine-Ort Puteaux zurückgezogen hatte, hielt sich abseits vom Pariser Kunstbetrieb. Der Maler bekam zu Lebzeiten nur drei größere Ausstellungen in der französischen Hauptstadt -- die letzte 1936 zusammen mit seinem Landsmann Alfons Mucha (SPIEGEL 161967).

Erst posthum, 1958, erwies das Gastland dem Maler gebührende Ehre: Das Pariser Musée National d'Art Moderne arrangierte eine Retrospektiv-Ausstellung. Nicht ohne Lohn -- Kuphas Witwe schenkte dem Museum 140 Werke des Verstorbenen aus seinem Atelier in Puteaux.

Der Nachlaß nährt den Nachruhm auch im Ausland -- nahezu die Hälfte der Kölner Kupka-Schau stammt aus dem Witwen-Schatz. Und im nächsten Frühjahr soll Kupka heimkehren -- zur ersten posthumen Ausstellung in Prag.

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