AUTOREN Gegen-Denkmal
Nun kommen die Übersetzungen: Im russischen Kaliningrad, ehemals Königsberg, stellte Günter Grass vergangene Woche seine Novelle »Im Krebsgang« vor, die im vorigen Jahr in Deutschland für Debatten sorgte (SPIEGEL 6/2002). Darf das Tätervolk der eigenen Opfer im Zweiten Weltkrieg gedenken, etwa jener rund 9000, die Anfang 1945 bei der Versenkung des Flüchtlingsschiffes »Wilhelm Gustloff« durch ein sowjetisches U-Boot umkamen? Grass, 75, sprach auch jetzt deutliche Worte: Er sehe angesichts Tausender ertrunkener Frauen und Kinder keinen Anlass, dem U-Boot-Kommandanten ein Denkmal zu setzen - wie in Kaliningrad geschehen. Solche Offenheit stieß dort nicht nur auf Wohlwollen.
In den großen literarischen Ostküsten-Blättern der USA finden sich derweil die ersten Stimmen zur englischen Ausgabe des Gegen-Denkmals von Grass: Der US-Autor John Updike, 71, der sich in der Vergangenheit äußerst kritisch über Bücher seines deutschen Kollegen geäußert hat, und der Südafrikaner J. M. Coetzee, 63, stellen »Crabwalk« (so der englische Titel) den amerikanischen Lesern in umfangreichen Besprechungen vor. Beim literarkritischen Urteil halten sie sich zurück: Updike empfindet im »New Yorker« die Grass-Mischung aus Erfindungen und Fakten »besonders überzeugend«, Coetzee ("The New York Review of Books") dagegen sieht für den komplizierten Aufbau der Novelle keine ästhetische Notwendigkeit. Ausführlicher - und bemerkenswert verständnisvoll - wenden sich beide der vom Buch ausgelösten Debatte zu. »Opfer« ist Coetzees Beitrag überschrieben: Niemand anderer als Grass sei der Richtige, von den Leiden der Deutschen während des Kriegs zu erzählen, er, der am ausdauerndsten demokratische Werte im öffentlichen Leben Deutschlands vertrete.