Es ist wie ein Schnitt mit dem Rasiermesser: Über eine sonst glatt verputzte Wandfläche an der Grazer Alberstraße verläuft eine merkwürdige senkrechte Fuge, ein schmaler Streifen von freigelegtem Mauerwerk. Der Künstler Fedo Ertl bringt mit dieser archäologischen Demonstration beispielhaft ein ungeliebtes Stück Lokalgeschichte ans Licht. Die Ziegel nämlich, die da zum Vorschein kommen und die heute die Rückwand von Garagenbauten bilden, stammen von der einstigen Grazer Synagoge, die 1938 so gründlich zerstört worden war, daß nur Baumaterial zurückblieb. Die Vorgänge von damals, als die Stadt noch rascher und gründlicher als andere »judenfrei« terrorisiert wurde, belegt Ertl im »Forum Stadtpark«, zur Ausstellung »Die Schöpfer Gottes«, mit alten Zeitungsseiten; Augenzeugenberichte, die er bei heimgekehrten Grazer Juden gesammelt hatte, durfte er nicht zitieren. Zu groß war in der noch 70köpfigen Gemeinde (1938: rund 2000) die Furcht vor neuen Repressalien. Dazu führt der Künstler eine Studie an, nach der wieder 70 Prozent der Österreicher antisemitische Vorurteile haben.
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Artikel 58 / 83
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