20.000 Ein-Euro-Jobs Erst digitalisieren, dann profitieren
Öffentliche Museen, Bibliotheken, Archive, Sammlungen und Theater - sie alle verfügen über beträchtliche Bestände, deren digitale Dokumentation von nicht zu überschätzendem Vorteil wäre. "Nach einem Brand in der Anna-Amalia-Bibliothek lebten die Bücher wenigstens als Kopien weiter", räsonnierte heute die "Berliner Zeitung". Tatsächlich wären die deutsche Kulturgüter in Bits-und-Bytes-Form besser geschützt und darüber hinaus jedem zugänglich - als abrufbare Größe im Internet.
Die schöne Idee hat jedoch einen Haken: Wer soll diesen digitalen Fundus einrichten? Hochbezahlte Spezialisten etwa? Finanziell eine Unmöglichkeit. Der Verleger und Museumsexperte Hans J. Heinrich hat nun einen provokanten Lösungsvorschlag gemacht: das logistische Mammutprojekt könnte auf 20.000 Ein-Euro-Jobs verteilt werden, von denen 10.000 an Langzeitarbeitslose aus den Bereichen Kultur oder artverwandten berufen gehen. Zwei Jahre lang, so meldete die Berliner Zeitung, wären die joblosen Kulturträger damit versorgt.
Der Deutsche Kulturrat ist von der Idee alles ander als angetan. Geschäftsführer Olaf Zimmermann zufolge könnte dieses Vorhaben Auswirkungen auf den ersten Arbeitsmarkt im Kulturbereich haben, die heute noch nicht abzusehen seien. "Wer wird im Kulturbereich künftig noch Mitarbeiter im ersten Arbeitsmarkt beschäftigen, wenn er umsonst Arbeitskräfte bekommen kann?", fragte Zimmermann heute im dpa-Gespräch.
Außerdem befürchtet der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, dass bei diesem Projekt die mit einer Digitalisierung von Kulturgut verbundenen urheberrechtlichen Fragen nicht geklärt und das Vorhaben auch fachlich nicht ausgereift sei. Kulturstaatsministerin Christina Weiss (parteilos) dürfe ein solches Vorhaben nicht unterstützen, forderte Zimmermann.
Deren Sprecher erklärte der dpa, grundsätzlich sei gegen eine Digitalisierung von Kulturgut nichts einzuwenden. Ein solcher Einsatz von Ein-Euro-Jobs lasse sich aber nicht auf zentraler Ebene realisieren, sondern sei Angelegenheit der Kommunen, wo ein solches Vorhaben mit anderen Projekten wie zum Beispiel denen im sozialen Bereich konkurrieren müsse.
Unternehmer Heinrich kann die Bedenken nicht teilen. Dass langfristig ein Arbeitsplatzabbau vorprogrammiert sei, weil man Fachkräfte nicht mehr brauche, hält er laut "Berliner zweitung für falsch. Man werde in kleinen Teams unter Mitwirkung der Kultureinrichtungen arbeiten. Hierfür habe man eine gemeinnützige Gesellschaft für digitale Dokumentation (Gedido) mit zehn Spezialisten gegründet, zu der Logistiker, Urheberrechtler, Unternehmensberater und Kunstexperten gehören. Tatsächlich würden die Arbeit nicht Hilfskräfte, sondern Akademiker leisten, allerdings ohne Anstellung.
Darüber hinaus würden zehntausend Menschen eine vierwöchige Schulung in Digitalisierung und Datenverarbeitung erhalten - dem Unternehmer laut "Berliner Zeitung" zufolge, einer jener Arbeitsbereiche, in denen es nicht ausreichend qualifizierte Arbeitskräfte gebe. Zudem sollen die Museen und Archive mit ihrem digitalisierten Beständen Geld erwirtschaften, Heinrich rechnet mit 20 bis 50 Millionen Euro Jahresumsatz.
80 Prozent der Kultgüter sollen digitalisiert werden, ein Fünftel des Pensums könne man in wie Jahren bewältigen, glaubt Heinrich. Und wer glaubt an den Unternehmer? Die Stiftung Preußischer Kultuzbrestz hat jedenfalls bereits Interesse bekundet.