"24"-Star Kiefer Sutherland "Wir haben nie Waterboarding gezeigt"

Mit der Faust durch die Wand: Als Terroristenjäger Jack Bauer zeigt Kiefer Sutherland Kampfgeist - und schießt manchmal übers Ziel hinaus. Im SPIEGEL-ONLINE-Interview spricht der "24"-Held über die neue Staffel, umstrittene Folterszenen - und die Politisierung der Serie.

SPIEGEL ONLINE: Mr. Sutherland, warum taucht zwischen der sechsten und siebten Staffel von "24" plötzlich ein zweistündiger Fernsehfilm mit dem Titel "24: Redemption" auf?

Sutherland: Das war eigentlich nicht geplant. Aber dann kam der Autorenstreik, der unseren Produktionsablauf durcheinanderbrachte, und in der Folge entstand dieses Prequel zur siebten Staffel. Wir konnten damit die ersten vier Episoden, die normalerweise mit Erklärungen vollgestopft sind, frei machen und die siebte Staffel erzählerisch einführen. Und wir sind nach Afrika gefahren - ich war zum ersten Mal dort, es war toll!

SPIEGEL ONLINE: Sie spielen jetzt seit sechs Jahren diese Figur, die unheimlich viel auf sich genommen hat und grauenhafte körperliche und seelische Narben trägt. Gehen Sie manchmal nach Drehschluss nach Hause und hoffen, dass man Jack Bauer umbringt?

Sutherland: Meinen Sie: Würde ich gern eine Komödie drehen?

SPIEGEL ONLINE: Oder so.

Sutherland: Ich finde diese Rolle aufregend und toll, es ist jedes Mal frisch. Jacks Narben sind ja vielfältig – manche stammen von der körperlichen Züchtigung in einem chinesischen Gefängnis, andere vom Tod seiner Frau. Es stimmt, dieser Typ hat es wirklich schwer. In der ersten Staffel trug er an der Last, seine Familie kitten zu wollen, und am Ende verliert er Frau und Tochter. In der zweiten Staffel ist er gezwungen, seinen Vorgesetzten zu exekutieren, und er muss an dieser Schuld tragen. Von einer Staffel zur nächsten muss Jack Bauer all diese Dinge schultern, wie es, glaube ich, echte Menschen in ihren Leben auch tun. Die einzige Konstante ist Jack Bauers moralischer Kompass, und der wird in jedem Jahr durch die Tragödie des Vorjahres neu informiert.

SPIEGEL ONLINE: Wo befindet er sich zu Beginn der siebten Staffel?

Sutherland: Jack wollte nicht zurück in die USA, das erklären wir in dem Prequel. Aber man zwingt ihn, er wird vor den Senat zitiert, um sich wegen Kriegsverbrechen zu verantworten. Ihm werden Folterungen und Misshandlungen weit über die Grenze des Zulässigen hinaus zur Last gelegt, und er muss sich gegen diese Anschuldigungen verteidigen. Die Autoren haben hier etwas Phantastisches gemacht – er kann sich nämlich nicht verteidigen. Sein jeweiliges Verhalten ist das Beste, was er in einer gewissen Situation tun konnte. Er versteht und akzeptiert, dass man ihm dies anlastet, und als man ihn schuldig spricht, nimmt er die Konsequenzen hin.

SPIEGEL ONLINE: Dies dürfte eine Konsequenz aus der öffentlichen Kritik an "24" sein. Im letzten Frühjahr hatten Sie Besuch von einem General aus der Militärakademie West Point, der Sie auf die Gefährlichkeit der Folterszenen hinwies, in denen Jack Bauer für gewöhnlich Informationen zur Rettung der Welt oder des Präsidenten erpresst ...

Sutherland: Ich sage Ihnen, ich musste darüber lachen, als uns die Leute aus West Point sagten, sie hätten ein Problem mit Soldaten, die glaubten, es sei richtig, was wir da bei "24" machen. Wenn die Army wirklich glaubt, dass "24" verantwortlich ist für die Politik, die zu Abu Ghureib und den Problemen in Guantanamo führten, dann haben wir ein größeres Problem, als wir dachten. Das auf "24" abzuschieben, ist einfach lächerlich. Jack ist ein unpolitischer Typ. Die Serie dagegen ist höchst politisch und ist in der Folge stark politisiert worden.

SPIEGEL ONLINE: Nicht zuletzt, weil sich der Serienschöpfer Joel Surnow und Ihre Schauspielkollegin Mary Lynn Rajskub zur Teilnahme an einer Podiumsdiskussion mit dem Titel "24 und Amerikas Image in der Terrorismusbekämpfung" hinreißen ließen ...

Sutherland: Ja, und vielleicht sollten unsere Autoren aufhören, über Politik zu sprechen. Lange bevor sie anfingen, auf politischen Events in Erscheinung zu treten, war das Tolle an der Serie, dass Jack Bauer ganz und gar unpolitisch ist. Dies ist eine Fernsehserie! Wir sagen nicht, dass dies richtig oder falsch ist, wir nutzten es als dramaturgisches Mittel.

SPIEGEL ONLINE: Aber reicht es noch, sich auf die Freiheit der Kunst zu berufen? Der oberste Bundesrichter und der Anwalt John Yoo, der die berüchtigten Folter-Memos im US-Justizministerium verfasste, haben sich auf "24" bezogen. Auch der Heimatschutzminister Michael Chertoff sagte, die Hartnäckigkeit eines Jack Bauer könnte Amerika helfen, den Terrorismus zu besiegen.

Sutherland: Wissen Sie, wir haben nie Waterboarding gezeigt ...

SPIEGEL ONLINE: ... das in den Folter-Memos im Weißen Haus als verfassungsgemäß gerechtfertigt wurde ...

Sutherland: ... Waterboarding gab es schon lange vor uns. Und wenn irgendjemand so naiv sein will, anzunehmen, dass in den letzten hundert oder tausend Jahren in verschiedenen Kulturen und verschiedenen Kriegen diese Dinge nicht geschehen sind, dann ist das naiv. Aber sich darüber zu empören, dass so was in "24" gezeigt wird und so zu tun, als würde es in der echten Welt nicht geschehen, ist einfach idiotisch.

SPIEGEL ONLINE: John McCain ist ein bekennender Fan der Serie und hatte sogar einen Gastauftritt.

Sutherland: Ebenso nennen Barbra Streisand und Bill Clinton "24" ihre Lieblingssendung. Und genau das finde ich toll.

Das Interview führte Nina Rehfeld


"24: Redemption" - 30. November, 20.15 Uhr, Premiere
"24" - die siebte Staffel der Serie startet im Januar

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