Sibylle Berg

S.P.O.N. - Fragen Sie Frau Sibylle Nichts gegen Dagegen

Die Dagegen-Pose der AfD ist verlockend. Fände ich nicht alles, wofür die AfD steht, mit meinen Werten unvereinbar, würde ich sie auch wählen.

Ich hatte früher mal einen Kumpel, der plötzlich orange-rote Kleidung trug und ein Passfoto von sich mit Mala anfertigen ließ. Falls die Sannyasins die Weltherrschaft übernehmen, würde er zu den Gewinnern gehören. Sagte er. Kann man machen. Dachte ich. Damals schwebte das Wort "Überläufer" über mir. Gutes Wort, auch heute.

Nachdem die Medien-MitarbeiterInnen AfD-SympathisantInnen vornehmlich beschimpften und lächerlich machten (was eigentlich die Reflexverteidigung Rechtskonservativer oder Deppen ist), ging es über Erklärungsversuche  hin zum großen fluffigen Verstehen. Ein schnurpeliges Antanzen mit dem kommenden Sieger .

Naja, klar. AfDler sind keine Nazis, aber eben auch nicht ausufernde Freunde der Gleichberechtigung, wie sich in diesem Auszug aus dem Parteiprogramm  erkennen lässt.

Es war und ist befremdlich, wie andere Meinungen zur derzeitigen Regierungsrichtung sofort zu einer erregten Entrüstung der vermeintlich Guten führten. Wenig ist unangenehmer als erzwungene Gleichschaltung der öffentlichen Meinung. In einem demokratischen System hat es Raum für jeden, der Mitmenschen nicht diffamiert und nicht gegen sie hetzt. Gerade das Nichternstnehmen, das Verteufeln und die Lächerlichmachung von absurd scheinender Angst hat die AfD zu einer Gemeinschaft der Unverstandenen gemacht.

Fände ich nicht fast alles, wofür diese Partei steht, mit dem, woran ich glaube, unvereinbar, ich würde sie auch wählen. Extra. So wie ich vermutlich auch Neonazi würde oder Hooligan. Wenn es nicht komplett scheiße wäre.

Die Angst der Menschen vor dem Fremden

Aber gegen aufgezwungenes Mainstreamdenken zu sein, ist ja schon mal ein verlockender Wert an sich. Dieses "Leckt mich mit eurem Gutmenschenscheiß", um die scheinbar machthabende Gesellschaft zu schockieren. Um aus dem Einheitsmeinungsbrei zu fliehen, sich zu wehren. Verständlich.

Es hilft doch nichts, fast 30 Prozent eines Volkes als Deppen zu beschimpfen. Sie sind keine Deppen, sie sind einfach normale Deutsche. Nicht besonders verwöhnt mit internationalem Denken, mit Offenheit, keine stilistischen Feinschmecker. Der rigiden Zuwanderungspolitik der derzeitigen Regierung sei dank.

Fragt man Spitzenkräfte aus aller Welt, warum sie nicht in Deutschland arbeiten wollen, versteht man einiges. Auch die Angst der Menschen vor dem Fremden. Wie sollen sie denn offen sein, wenn sie gar nicht wissen, wem oder was gegenüber?

In Amerika wird im Fall von Angst und Unwissenheit ein Gewehr gekauft und Trump gewählt. So what. Sind es eben ein paar zwanzig Prozent Menschen, die Homosexuelle skeptisch betrachten, Mütter toll finden, solange Väter in der Nähe rumspringen, Boden und Krume schätzen.

Was sind denn noch mal die Werte und Ideen von CDU und CSU? Richtig. Die Welt geht nicht unter, es bleiben genug Prozent der Bevölkerung, die Linke, Grüne, die Vegane oder die Hundepartei wählen. Man wird in keinem Land ausschließlich Menschen antreffen, die dieselben Werte haben, wie man selber.

Demokratie bedeutet, Leute auszuhalten, die anders sind als man selber, und zu bekämpfen, was rassistisch ist, sexistisch oder Menschen diffamiert. Anstrengend, aber immer noch besser als eine Diktatur.

So, und nun genug gejammert und gehasst, die liberalen, grünen, linken Kräfte in allen Ländern Europas müssen sich allmählich etwas einfallen lassen, denn sie erreichen einen Teil der Menschen nicht mehr. Ich weiß nicht, warum mir gerade dieser Link  hier so gefällt.

Es geht wieder um etwas, aufwachen! Solange wir noch entscheiden können.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren