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Aga Khan Museum: Moderner Tempel für islamische Kunst

Foto: FRED THORNHILL/ REUTERS

Aga Khans Museum in Toronto Die Warte des Propheten

Einer der reichsten Männer der Welt, angeblich Nachkomme des Propheten Mohammed, eröffnet in Toronto ein Museum für islamische Kunst: Politische Auseinandersetzung aber ist in Aga Khans spektakulärem Bau unerwünscht.

Ein kleines, blaues Schild an der Autobahnausfahrt weist den Weg: "Attractions". Darunter ein Pfeil, rechts abbiegen. Damit ist zunächst allerdings nicht das auf sieben Hektar neu gebaute Aga-Khan-Museum samt Park und religiöser Begegnungsstätte gemeint, sondern das Ontario Science Center, ein populärer Wissenschafts-Vergnügungspark im Nordosten der City. Man muss also sehr genau wissen, was man sucht, um Torontos neue Attraktion zu finden, das erste Museum für islamische Kunst in Nordamerika, gestiftet von einem der reichsten Männer der Welt, dem geistigen Oberhaupt der Ismailiten, Prinz Karim Aga Khan IV., angeblich ein direkter Nachkomme des Propheten Mohammed.

Rund 20 Minuten Autofahrt sind es von den Wolkenkratzern im geschäftigen Zentrum der kanadischen Millionenstadt zu dem rund 320 Millionen teuren Bau am Wynford Drive inmitten gesichtsloser Strip Malls. Im Hintergrund ragen braungraue Sozialwohnungen aus den Siebzigern empor, es herrscht die stille Atmosphäre eines nicht armen, aber strukturschwachen Randgebiets. Demnächst soll die U-Bahn, ehrgeizigstes Projekt von Noch-Bürgermeister Rob Ford, bis an die nahe Eglinton Avenue erweitert werden.

Ein bescheidener, versteckter Ort für eine so spektakuläre und schon allein architektonisch anspruchsvolle Einrichtung. Wie ein außerirdisches Artefakt nistet das flache, weiße Gebäude mit seiner stilisierten Glaspyramide zwischen den rechtwinkligen Formen der Umgebung. Im Park glatte Wasserbecken, reflecting pools - in den angrenzenden Gärten sollen Installationen entstehen. Am Donnerstag wird das Museum für die Allgemeinheit eröffnet, gerechnet wird zunächst mit 250.000 bis 300.000 Besuchern pro Jahr.

Was ist eigentlich "islamische Kunst"?

Zu Beginn stellen sechs Künstler aus Pakistan aus, darunter die in Toronto und Lahore lebende Konzeptkünstlerin Nurjahan Akhlaq und der für seine modernistische Teppich-Kunst bekannte David Chalmers Alesworth. Titel der temporären Schau ist "The Garden Of Ideas", die traditionelle ornamentale Gartenkunst in andere visuelle Medien und Kunstformen übersetzt. Herzstück der Ausstellung bildet jedoch die nun hier beheimatete Sammlung altislamischer Kunst aus dem Privatbesitz Aga Khans. Teile der kostbaren, teils jahrhundertealten Werke - antike Enzyklopädien ebenso wie eine kunstvoll gearbeitete Robe oder eine in Gold gewebte Koran-Sure - waren schon weltweit zu sehen, unter anderem im Louvre und in der Eremitage in Sankt Petersburg.

Islamische Kunst, betonte Museumschef Henry Kim bei der Presse-Vorbesichtigung, sei lediglich ein Hilfsbegriff, um die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der von islamischer Kultur geprägten Kunst zu umreißen, es gehe im Museum nicht um Religion: "Kunst ist Kunst." Das Thema ist sensibel.

Denn natürlich durchweht die großzügigen, minimalistisch gestalteten Museumsräume nicht nur künstlerischer Geist, sondern leider auch der Gifthauch des Ressentiments. Es gebe gerade nicht viele gute Nachrichten über den Islam, sagt Kris Janowski, Kommunikationschef der Aga-Khan-Stiftung, diplomatisch. Tatsächlich dürfte, wer an Muslime denkt, aktuell nicht an kulturelle Vielfalt denken, sondern an die fanatischen Islamisten der mörderischen IS-Miliz und den Terror der Taliban. Umso wichtiger, so Janowski, sei es, "die Ignoranz" zu durchbrechen und den "Reichtum islamischer Kultur" zu zeigen.

Islamische Oase im Herzen Nordostamerikas

Das Museum, Prunkobjekt der auf Entwicklungshilfe und Kulturförderung spezialisierten Stiftung, habe durchaus edukativen Charakter, sagt Janowski: "Westliche Meister sind auf der ganzen Welt bekannt, aber nennen Sie mir einen islamischen Künstler! Der westlichen Welt ist islamische Kunst weitgehend unbekannt." Ein Missstand, so die Mission des bei Paris lebenden Khans, den es zu beheben gilt.

Kanada mit seinem guten Ruf als Hort der kulturellen Vielfalt und Toleranz sei, so Museumsleiter Kim, genau der richtige Ort, um diese unbekannte Welt abseits sozialer Spannungen zu vermitteln. Von den rund eine Million in Kanada lebenden Muslimen wohnen allein 400.000 in und um Toronto.

Tatsächlich dürfte die Gefahr politisch oder religiös motivierter Proteste gegen einen so prominenten und raumgreifenden islamischen Bau in Kanada minimal sein - anders als in vermeintlich attraktiveren, aber auch spannungsreicheren Weltstädten wie Paris, London oder New York, wo es noch vor wenigen Jahren Demonstrationen gegen den Bau einer Moschee unweit von Ground Zero gegeben hat. Toronto ermögliche zudem Besucherströme aus nahegelegenen US-Städten wie Chicago, Cleveland oder Pittsburgh.

"Räume mit dem Klang des Dialogs füllen"

Gebaut wurde das Museum von Pritzker-Preisträger Fumihiko Maki, das Ismaili Centre entwarf der nicht minder renommierte Charles Correa. Der aus Indien stammende Architekt lobte gerade die Eintönigkeit der umliegenden Gebäude. "Es ist ein sehr formloser Teil der Stadt, es ist ein wenig so, als wäre man unter Wasser", sagte er der Tageszeitung "Toronto Star".

Der 77-jährige Aga Khan, der das Museum am vergangenen Freitag zusammen mit dem kanadischen Premierminister Stephen Harper einweihte, betonte den Geist der Freundschaft in einer Zeit, in der der Fokus der Welt auf Kriegsführung liege. "Diese Räume sollen mit dem Klang der Bereicherung, des Dialogs und des warmen menschlichen Umgangs gefüllt werden."

Auf die Frage, ob denn das Museum auch offen für Diskussionsrunden zur aktuellen politischen Lage sei, bleibt Stiftungssprecher Janowski jedoch verhalten: Die Ismailiten, die von Aga Khan vertretene Glaubensgemeinschaft, lebten zwar über die ganze Welt verteilt, ein großer Teil jedoch auch in Pakistan. Dort gerät die schiitische Minderheit, zu der die Ismailiten gehören, immer wieder in Konflikt mit den bevölkerungsreichen Sunniten, die innerhalb des Islam einen Führungsanspruch behaupten.

Allzu offene Stellungnahmen Prinz Karims zu Politik und Religionsfragen könnten eine Gefährdung der Ismailiten auch in anderen Krisenregionen bedeuten, so Janowski. Selbst eine offen geführte Debatten- oder Gesprächsreihe könnte als Provokation verstanden werden. Der große Schatten der Glaubenskriege, er legt sich selbst auf diesen hellen Ort der Kunst im stillen, friedlichen Speckgürtel Torontos.

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