Anja-Niedringhaus-Preis für Stephanie Sinclair "Die verletzlichsten Mädchen der Welt"
Die freie Journalistin und Pulitzer-Preisträgerin Stephanie Sinclair, 45, ist mit dem Preis für Mut im Fotojournalismus ausgezeichnet worden, der nach der Fotografin Anja Niedringhaus benannt ist. Sinclair reist seit 15 Jahren um die Welt, um das Leid von Mädchen und jungen Frauen zu fotografieren, die Opfer von Gewalt, genitaler Verstümmelung, Säureattacken oder Zwangsheirat geworden sind.
In dieser Zeit entstand die Fotoserie "Too Young to Wed" (Zu jung zum Heiraten), die zeigt, wie das Leben junger Mädchen durch erzwungene Ehen zerstört wird. Stephanie Sinclair hat eine gleichnamige Organisation aus der Taufe gehoben, die beispielsweise Boko-Haram-Opfer in Nigeria mit Stipendien, Fotografiekursen und Workshops zur Ermächtigung der Frauen versorgt.
In einem Interview mit der Deutschen Welle hat die Preisträgerin einen Einblick in ihre Arbeit gewährt und erzählt, wie sie Vertrauen herstellt: "Der Zugang ist wegen der sensiblen Themen immer schwierig. Aber ich habe festgestellt, dass die Leute das tun wollen, was am besten für ihre Gemeinschaft ist. Und ich erzähle ihnen, wie sehr Kinderehen und ähnliche Traditionen ihren Gemeinschaften schaden, dass sie die Armut fortbestehen lassen, die Mädchen anfällig für den Tod im Kindbett machen. Auch die Kinder dieser Mädchen sind gefährdet, sie werden oft zu früh geboren, und manche überleben nicht."
Mehr um die Frauen im Heimatland kümmern
Sinclair, die in New York lebt, bekräftigt in dem Gespräch, dass sie nicht nur die Probleme von Frauen in Ländern wie Afghanistan, Jemen oder Indien auf dem Schirm hat, sondern sich in Zukunft mehr den Frauen in ihrem Heimatland widmen möchte, die von den Kürzungen der staatlichen Gesundheitssysteme durch Präsident Trump betroffen sind: "Mädchen müssen Zugang zu Geburtenkontrolle und Gesundheitsversorgung haben. Die USA - mein Land - haben die Mittel für den Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) gestrichen. Das ist schrecklich, denn die UNFPA ist die einzige Organisation, die so etwas bereithält, in Ländern wie Nigeria, wo Mädchen von Boko Haram entführt, zwangsverheiratet und gezwungen wurden, die Kinder dieser Männer zur Welt zu bringen. Das sind die verletzlichsten Mädchen der Welt, und genau sie haben unter einer solchen Politik zu leiden."
Der Anja-Niedringhaus-Preis wird seit 2015 an Fotografinnen verliehen, die sich durch außergewöhnlichen Mut bei der Berichterstattung auszeichnen. Der Preis ist nach der Fotojournalistin benannt, die über zwei Jahrzehnte in Afghanistan, Pakistan, Nahost und Bosnien gearbeitet hatte und für ihre Irak-Reportagen den Pulitzer-Preis verliehen bekam. Als Niedringhaus im Frühjahr 2014 über die Präsidentschaftswahlen in Afghanistan berichtete, war sie von einem Polizisten erschossen worden.