Architektur Eine Insel für die Kunst
Glückliches München? Die Welt japst unter der Finanzkrise, unter Kulturmenschen bricht das große Zittern aus, ob in diesen Zeiten auch nur ein müder Cent für die Künste übrig bleibt - und in der Landeshauptstadt werden Museen geplant, eingeweiht oder aufwendig erweitert.
Natürlich sind die Pläne zum Teil weit vor dem Crash der Finanzmärkte verabschiedet worden, die lässige Grandezza, mit der sie vorangetrieben werden, ist dennoch bemerkenswert. Da werden hochmoderne Kisten gezimmert und liebliche Altbauten wiederhergestellt, da wird alles getan für die Kunst, nur mit einem tut man sich an der Isar unendlich schwer: dem großem Plan, dem einen Gedanken, der aus den vielen einzelnen guten und weniger guten Ideen ein Ganzes macht.
Ein besonders spektakuläres Gebäude wird nächste Woche eröffnet: das Museum Brandhorst. Es liegt zentral in der Maxvorstadt, in unmittelbarer Nähe der drei Pinakotheksgebäude. Es wird die imposante, 700 Werke umfassende Privatsammlung des Kölner Henkel-Erben Udo Brandhorst beherbergen, darunter Arbeiten von Cy Twombly und Andy Warhol. Und vor allem: Es sieht aus, als wolle München dem rezessionsgeplagten Rest des Landes zeigen, dass man hier keine Lust auf Trübsinn hat. Das Museum Brandhorst ist ein farbenfroher Schmuckkasten.
Entworfen wurde das Gebäude von dem in Berlin lebenden deutsch-britischen Architekten-Duo Matthias Sauerbruch und Louisa Hutton. Es besteht aus zwei Quadern, einem langgestreckten Teil an der Türkenstraße, der die Traufhöhe der umliegenden Gebäude aufnimmt, und einem sechs Meter höheren Kopfbau an der Theresienstraße.
Als Erkennungszeichen wird sich indes die irrwitzig bunte Fassade einprägen, die bereits mit Pullovern der Edel-Strickmarke Missoni verglichen wird - so als sollte München partout seinem Ruf als Hauptstadt des Chichi gerecht werden. Und wie immer bei Spott- und Kosenamen ist etwas dran an dem Vergleich: Die Fassade wirkt modisch, eine gefällige Idee, doch scheint fraglich, ob sie die Zeiten überdauern wird.
Sie besteht aus 36.000 vertikal und luftig angebrachten Keramikstäben. Mit 23 verschiedenen Farbglasuren sind diese Stäbe überzogen, die alle leicht transparent und - wie immer bei Keramik - uneben sind. Betrachter, die frontal auf die Fassade blicken, sehen jeden einzelnen farbigen Stab. Blicken sie aber von der Seite, scheinen die Farben miteinander zu verschwimmen - ein reizvoller Effekt.
Innen wird sich hingegen noch zeigen müssen, ob das anspruchsvolle Design nicht nach kürzester Zeit schon ranzig wirkt. Die Wände sind vornehm lichtgrau, alles wirkt dezent und zurückgenommen, die Kunst hat Vorrang - so weit, so gut. Doch der auffälligen, fast skulpturalen Treppe aus dänischer Eiche wird man schnell die Gebrauchsspuren ansehen. Das ist zwar bei Hölzern zurzeit ebenfalls Mode, doch bei einer beanspruchten Treppe nicht unbedingt sinnvoll.
Insgesamt kann das Gebäude nicht verbergen, dass die Architekten Schwierigkeiten mit dem absurd knapp geschnittenen Grundstück hatten. Die Grundfläche ist mit gut 2300 Quadratmetern viel zu klein für ein Haus, das so viel Kunst unterbringen muss. Ein Stockwerk wurde in den Boden versenkt, was für die dort untergebrachte Kunst alles andere als ideal ist. Denn während die überirdisch ausgestellten Werke überwiegend von schönstem Tageslicht bestrahlt werden, müssen sich die Exponate im Keller, darunter Warhols berühmtes "The Last Supper", mit Kunstlicht begnügen.
Auch wenn der mit öffentlichen Geldern finanzierte 48-Millionen-Euro-Bau arg in eine Ecke gequetscht wurde, ist er dank seiner Fassade dennoch ein architektonisches Statement - ein Statement allerdings, dem der Kontext fehlt. Das Museum steht da und ist umgeben von anderen hübschen und weniger hübschen Bauten. Der Bezug zueinander fehlt völlig.
Deswegen schlägt die Stiftung Pinakothek der Moderne vor, das gesamte Gebiet zwischen den drei Pinakotheken und dem Lenbachhaus in ein "Kunstareal" zusammenzufassen. Im Wettbewerb der Städte ließe sich so ein Ensemble gut vermarkten. So wie Berlin mit der Museumsinsel wirbt, würde die Stiftung es gern tun mit einer Art Insel für die Kunst.
Noch wird das gesamte Gelände von Straßen durchschnitten. Und viele Besucher der Alten Pinakothek wissen gar nicht, so haben Umfragen ergeben, dass ganz in der Nähe zwei weitere Pinakotheken zu finden sind. In einem ersten Schritt soll das Areal verkehrsberuhigt und stärker ans Münchner Zentrum angebunden werden - damit Japaner und andere hochgeschätzte Gäste leichter den Weg zur Kunst finden.
Die Stiftungsmitglieder der Pinakothek der Moderne beauftragten den Architekten Gunter Henn, einen Entwurf für ein Kunstareal zu entwickeln - woraufhin der einen zentralen Empfangsort zeichnete, der von der gläsernen Pyramide im Hof des Pariser Louvre inspiriert scheint.
Doch das Henn-Konzept fiel bei einer öffentlichen Architekturdebatte Anfang April durch. Inzwischen hat sich ein Expertenkreis darauf verständigt, schleunigst einen Masterplan für das Quartier auszuschreiben.
So ganz neu ist die Idee nicht. Bereits 1992 hatte der Architekt Stephan Braunfels, der später die Pinakothek der Moderne realisierte, einen städtebaulichen Wettbewerb gewonnen, der vorsah, ein ebensolches Kunstareal zu schaffen. Da sich der streitlustige Braunfels aber mit diversen bayerischen Politikern überworfen hatte, wurden seine Pläne nie realisiert.
Heute ist zumindest eines klar: Irgendetwas muss passieren, möglichst schnell, denn auf besagtem Gelände tut sich bereits jetzt enorm viel - vielleicht sogar zu viel. Architekt Sauerbruch, der das Museum Brandhorst mitentworfen hat, ist seit März mit der Sanierung des benachbarten, denkmalgeschützten Türkentors befasst - jenem einzigen verbliebenen Rest der 1826 errichteten Kaserne des Königlich Bayerischen Infanterie-Leibregiments.
Das klassizistische Gebäude soll, so stellt es sich die Stiftung Pinakothek der Moderne vor, zu einem "einzigartigen Ort der Kontemplation an der Schnittstelle zwischen den Pinakotheken und dem Museum Brandhorst" werden. Doch einfach nur kontemplatives Starren auf weiße Wände ist für echte Kunstjunkies natürlich zu wenig. Gezeigt werden soll in dem wiederhergestellten Bau eine Rauminstallation des US-Künstlers Walter De Maria.
Zwei weitere Häuser entstehen in der Nachbarschaft: ein hochmoderner Bau mit massivem Sockel und gläserner Haube, in dem zwei sehr verschiedene Münchner Institutionen untergebracht werden sollen: die Hochschule für Fernsehen und Film und das Staatliche Museum Ägyptischer Kunst. Architekt ist der Kölner Peter Böhm.
Und dann das NS-Dokumentationszentrum, ein kühl-weißer Kubus aus dem Berliner Architektenbüro Georg Scheel Wetzel (siehe Seite 20). Die Entscheidung für diesen sachlichen Entwurf ist eine Sensation, weil er sich so erkennbar von der Formensprache eines Branchenstars absetzt: Daniel Libeskind, der sich dem NS-Thema am liebsten suggestiv, mit irritierenden Schrägen nähert - wie etwa beim Jüdischen Museum in Berlin.
Absehbar, dass der Neubau unweit vom Königsplatz deshalb zu ähnlichen Diskussionen führt wie die Sanierung des Lenbachhauses. Die Ende des 19. Jahrhunderts im toskanischen Stil erbaute gelbe Villa, die in das Kunstareal integriert werden soll, wird vom britischen Stararchitekten Norman Foster für 56 Millionen Euro umgebaut und erweitert. An sich wird Foster dafür geschätzt, dass er, wie beim Berliner Reichstag, grandiose Symbiosen zwischen Alt und Neu schaffen kann.
Bei seinen Plänen für das Lenbachhaus, das immerhin die weltberühmte Sammlung des "Blauen Reiters" beherbergt, hat er aber geschwächelt: Der Brite sieht als Anbau einen wuchtigen Kubus vor, der sich jedoch vor eine Fassade des filigranen Lenbachhauses schieben wird. Und für den Anbau wünscht sich Foster einen Stäbchenvorhang à la Museum Brandhorst.