Berliner Ausstellung "Art and Press" Was mit Medien
Als "sensationelle Kunstausstellung" kündigt die "Bild"-Zeitung die Ausstellung "Art and Press. Kunst.Wahrheit.Wirklichkeit" am Tag der Eröffnung an, als "die wichtigste Ausstellung zu Kunst und Medien".
Sieh' mal an, denkt man, liest sich, als könnte die Ausstellung ein Lehrstück werden für eine Auseinandersetzung mit der Presse. Die Kunst könnte den Hang der Presse zu Sensationen hinterfragen, zum Reißerischen, zur Übertreibung. Die Ausstellung könnte sich an der Frage abarbeiten, ob die Meldung der Wahrheit und der Wirklichkeit entspricht.
Könnte.
Aber sie kann natürlich auch "einfach nur viel Freude machen". Das will zumindest Chefredakteur Kai Diekmann in seiner "Bild"-Zeitung zeigen, die die Ausstellung präsentiert zusammen mit RWE und der Bonner Stiftung Kunst und Kultur. Über 28 Ausgaben werden sich die "Bild"-Experten in einer Serie an elf Millionen "Bild"-Leser richten und ihnen die Höhepunkte der Ausstellung vorstellen: "Ein Versuch, Kunst, die vorgeblich schwer zu verstehen ist, die schwer zugänglich ist, einem breiten Publikum zugänglich zu machen", sagt Diekmann.
Wie vielleicht die riesengroße Installation "Die Buchstaben" von Anselm Kiefer, die eigens für die Ausstellung entstanden ist. Aus ausgedienten Druckmaschinen wachsen statt Worten riesige Blei-Sonnenblumen heraus, aus denen wiederum statt Kernen Bleibuchstaben auf die Erde fallen. Als ästhetische und poetische Interpretation der Vergänglichkeit der alten Kunst des Druckens soll die Installation begriffen werden, man kann sie aber auch als platt und einfach nur dekorativ empfinden.
Die meisten der 56 internationalen, meist namhaften Künstler, darunter Joseph Beuys, Gilbert & George, Andreas Gursky, Damien Hirst, Anselm Kiefer, Jonathan Meese, Sigmar Polke, Gerhard Richter, Andy Warhol oder Ai Weiwei, haben sich allerdings die Zeitung selbst zum Material oder deren Inhalte zum Ausgangspunkt ihrer Arbeiten gemacht. 15 Arbeiten sind speziell für die Schau entstanden, wie die Installationen von Kiefer, Meese oder Erwin Wurm. Andere wurden anscheinend ein wenig zufällig aus dem zur Verfügung stehenden Werk ausgewählt wie z.B. das großartige mechanische Miniaturtheater "Black Box" des südafrikanischen Künstlers William Kentridge - aber was haben die Bilder deutscher Kolonialverbrechen mit Presse zu tun? Und ob Franz West bei seinen schönen Skulpturen "Parrhesia" das Thema Presse im Sinn hatte, ist fraglich - auch wenn er für die Herstellung seines Papiermaschees Zeitungspapier benutzt hat.
Für die Zeitung ist es Zeit zu tanzen
Viele Künstler arbeiten direkt mit Zeitungen. Annette Messager lässt eine Zeitungsseite über einem Ventilator im Wind tanzen, Günther Uecker durchnagelte ganze Zeitungsstapel schon 1978 ("Analphabetisches Monument") und führte diese Arbeit 1999 mit der Titelseite der "Zeit" fort, auf der Jürgen Habermas über "Bestialität und Humanität" schrieb. Robert Gober legt wie zufällig Zeitungsstapel in verschiedenen Räumen ab, die wie Altpapier zum Abholen zusammengeschnürt sind. Allerdings hat Gober deren oben aufliegende Zeitungsseite als Fotolithografie gedruckt, manchmal original, andere Seiten hat er verändert, weil er bestimmte Artikel nebeneinander sehen wollte, und manche Texte und Fotos hat er frei erfunden, die Seite ist selbst gestaltet.
Mit Pressefotos arbeiten viele Künstler, wie Thomas Ruff, der für seine Arbeit "Zeitungsfotos" Fotos aus allen Sparten deutschsprachiger Zeitungen in die gleiche Farbigkeit übertragen, ihre Größe verdoppelt und sie ohne Bezeichnung zu einem Zyklus zusammengestellt. Die Herkunft der Bilder als Pressebild ist noch zu erkennen, aber was bleibt vom Informationswert eines Fotos, wenn es aus seinem Zusammenhang gerissen wird?
Auch Gerhard Richter isolierte für seine Porträt-Serie "Acht Lernschwestern" die Zeitungsfotos der abgebildeten Opfer eines Verbrechens von ihrer Geschichte, und für Andy Warhol waren Pressefotos von Unfällen und Rassen-Aufständen das Material, das er für seine Siebdrucke fotomechanisch auf Leinwand übertrug.
Einige Künstler befassen sich mit Zensur, streichen durch, übermalen, schneiden aus. Ai Weiwei kritisiert eher abstrakt: Die ausgestellten Armierungseisen fehlten in vielen Schulbauten, so dass sie bei dem Erdbeben 2008 einstürzten - darüber wurde in chinesischen Medien allerdings niemals berichtet. Auch die Installation des Iraners Farhad Moshiri, der Magazin-Titelseiten wie Teppiche knüpfen ließ, in denen eingestanzte Löcher für Zensur stehen, sieht nicht nach substantieller Medienkritik aus. Macht aber bestimmt viel Freude.
"Art and Press. Kunst.Wahrheit.Wirklichkeit." Berlin, Martin-Gropius-Bau , bis 24. Juni. Katalog "ArtandPress". Wienand Verlag;, 29,90 Euro.
Die Ausstellung wandert vom 15.9.2012 bis 10.2.2013 ins ZKM Karlsruhe.