Berliner Schau "Erogenous Zone" Hier backt die Künstlerin nackt
Eigentlich sollte die Ausstellung in der Neuköllner Galerie im Körnerpark ja klipp und klar und deutsch "Erogene Zone" heissen. Aber da machte das Berliner Kunstamt Neukölln als Hausherr nicht mit. Nun heisst die Schau "Erogenous Zone" und sie zeigt, wie Künstlerinnen heute weibliche Sexualität und Erotik sehen, erfahren und reflektieren. Wie sie selbst definieren und erkunden wollen, was Frauen begehren und was oder wen sie erotisch finden, und dass sie mit ihrer Kunst einen neuen Kontext für diese Themen schaffen wollen.
Hinter der Ausstellung steht die feministische Gruppe "ff" von Künstlerinnen, die sich austauschen, im männerdominierten Kunstbetrieb zusammenarbeiten und dabei Spaß haben wollen, ohne dass von vornherein festgelegt war, ob sie damit an die Öffentlichkeit treten wollten, sagt Antje Majewski, "ff"-Künstlerin und Kunstprofessorin.
Zu "ff" gehören auch die Kuratorinnen der Schau, Juliane Solmsdorf und Mathilde ter Heijne. Ter Heijnes Meinung nach können Themen wie Feminismus, Erotik und Sexualität nicht nur diskutiert werden, sie müssten auch in die Praxis umgesetzt werden, "sonst bleibt man in der Theorie hängen, wie es in den achtziger Jahren passiert ist", sagt ter Heijne, "da endete die ganze feministische Debatte in den Gender-Studies". Jetzt hat ter Heijne Künstlerinnen eingeladen, die das Thema schon bearbeitet haben, während Solmsdorf, für die Feminismus auch gegenseitige Unterstützung bedeutet, Kolleginnen einlud, deren Arbeit sie schätzt und die sie ganz konkret fragte, ob sie mit dem Thema etwas anfangen könnten.
Stöckelschuh, Strumpfhose und Brustbehaarung
Die meisten waren begeistert, wie zum Beispiel Magdalena Bichler, 26, die sofort zusagte. Ihre neue Arbeit "Jules" hängt gleich gegenüber vom Eingang. Auf Neonröhren hat sie einen schwarzen getragenen Stöckelschuh installiert. Die Idee kam ihr, als sie den Satz "Mit einem hochhackigen Schuh bekleidet, wird der Fuß zur mysteriösen Waffe" gelesen habe, sagt Bichler.
Gleich daneben hat die junge Ellie de Verdier eine Türklingel installiert. Drückt man sie, raunt eine raue Männerstimme einem "hot guys" entgegen. Toll und zum Lachen ist es, wie die zwei Worte in diesem Tonfall breitbeinig ins Leere laufen. Gegenüber zeigt Nina Rhode ihre tonnenschwere Installation "Prokurator" aus abgebrannten Feuerwerkskörpern auf einem Holztableau - eine Metapher für explosive Sinnlichkeit oder für eine leergeschossene Orgasmusmaschine? Kraftmeierei oder trostlose Leere nach dem Exzess?
Es geht weiter mit Zeichnungen, Skulpturen, Objekten, Videos und Fotos. Und mit Fragen, wie verankert unser Vorstellungen von Erotik und Weiblichkeit in unserer und in anderen Kulturen sind. In westlichen Religionen gäbe es kaum Symbole für Erotik, nur eine Madonna, die Jungfrau ist, und der rationale Umgang mit der Welt klammere den Körper extrem aus, sagt Tanja Schomaker, deren Fries aus zwölf im Kreis gedrehten Würfeln nur aus drei gemalten Rauten besteht - dem Symbol der Vagina.
Es gibt Zeichnungen von Brustbehaarung (Fiona Rukschcio), Juliane Solmsdorf zeigt Skulpturen aus getragenen Nylonstrümpfen, die zwar abstrakte Bilder sind, aber sofort an Körperlichkeit, an Verletzlichkeit und Agression denken lassen. Von ter Heijne ist "Black Hole" und "Desire" zu sehen, ein weißes Tuch mit einem liebevoll umstickten Loch, mit dem Frauen während des Geschlechtsverkehrs bedeckt werden können.
Antje Majewskis große Gemälde zeigen "Venus" und "Phallus" nebeneinander, Eva T. Schippers projiziert über eine erotische Grafik von Hans Bellmer ein Video mit verfremdeten Körpern, die dem sexuellen Akt der Bellmer-Grafik ausführen.

Emanzipierte Beschäftigung mit Lust
Und Christina Dimitriadis zeigt das Foto einer Frau, die sich in einem leeren Flur im Handstand gegen eine Wand stützt. Ihr weisses Kleid fällt nach unten, enthüllt so den nackten Unterkörper und verdeckt Oberkörper und Kopf. "Vergessensübung umgekehrt" heißt die Fotografie nach einer Notiz von Kant, "Ich muss mich erinnern zu vergessen" hieß es da. Und weil auch ihr Alltag nicht "das Ersehnte" enthielt, und das imaginäre Leben für sie wichtiger wurde als das reale, fragte sie sich, wie man vergisst, und dies sei die "etwas ironische Antwort".
Am Eröffnungsabend von "Erogenous Zone" kamen rund 600 weibliche und 450 männliche Gäste und fast jeder blieb bei der jungen Amelie Jakubek stehen, die mit Schürze zwischen einem Tisch mit frischen Backwaren und einem Herd stand und aus süßem Teig eine Miniatur ihres Körpers buk. Wenn sie sich zum Herd drehte, sah man, dass sie unter der Schürze völlig nackt war. Sie wolle nicht Sklavin eines diktierten Körperkults sein, der Menschen subtil unterdrückt, ihr Trumpf sei Authentizität und sie suche nach dem optimalen Weg die Freiheit zu nutzen, die wir theoretisch haben.
Und dass es Entscheidungsmöglichkeiten gibt, wenn man sie nur wahrnimmt, das zeigt die Ausstellung, ohne belehrend oder rechthaberisch zu sein. Hier geht es nicht um "Frau gut, Mann böse", sondern um eine emanzipierte Beschäftigung mit Lust und mit der selbstbewussten Umsetzung der eigenen Wünsche.
"Erogenous Zone". Berlin. Galerie im Körnerpark. Bis 19.5., http://fffffff.org/
Ein zweiter Ausstellungsort mit nicht jugendfreien bis pornografischen Arbeiten gibt es im Pony Royal in der Siegfriedstraße 12