Karl-Otto-Götz-Ausstellungen 100 Jahre alt, jetzt auch richtig teuer

In der Nazi-Zeit galt seine Malerei als entartet, doch er arbeitete weiter. Seinen Stil fand K.O. Götz aber erst 1952 mit schnellen, temperamentvollen Gemälden. Nun wird der Künstler 100 Jahre alt und in verschiedenen Schauen wiederentdeckt.

Ein junger Mann war der 1914 geborene Karl Otto Götz bei Kriegsende 1945 nicht mehr. Er wollte den Anschluss an die moderne Kunst finden, die Hitler 1937 als "entartet" erklärt hatte. Auch K.O. Götz hatte zu den Künstlern gehört, den die Nazis 1935 mit Mal- und Ausstellungsverbot belegt hatten, nachdem er gerade mal drei Jahre Malerei studiert hatte. Aber er hatte als Soldat trotz Verbot in seiner Freizeit weitergemalt und mit Farben und Fotomalereien experimentiert. Er hatte sich mit dem Kubismus auseinandergesetzt, war mit Willi Baumeister befreundet, hatte sich für Kandinsky begeistert und sich an Max Ernst orientiert. Dessen Anregungen übersetzte er allerdings "stark ins Dekorative", so der Kunstkritiker und Freund Will Grohmann 1962 in einem Katalogtext.

Zu den Experimenten gehörten für den Hobbysegelflieger Götz, den Bewegungsabläufe faszinierten, gemalte Vogelszenen, und schon 1935 versuchte er sich am Film. So wie sich Filmbilder untereinander und aufeinander beziehen können, so wollte er malen. Farbe, Form und Bedeutung sollten sich verweben, genau wie Raum, vorn und hinten, Bewegung und Tempo, körperliche Aktion, Anspannung und Loslassen. Und 1952 hatte Götz gefunden, was er suchte. Er malte das "Bild vom 7. 9. 1952 (Letztes Ölbild)" und begann einen furiosen Neuanfang mit seiner neuen Maltechnik mit einem breiten Pinsel, einer Rakel aus Holz und einer Mischung aus Kleister und Gouachefarbe.

Damit war es möglich, schnell und spontan auf am Boden liegende Leinwand oder Pappe zu malen und trotzdem den malerischen Zufall präzise zu kontrollieren - Aktion und Reflexion. Götz' Aktionen sind vorher genau entworfen und durchdacht. In die Schwünge, Wirbel, Farbspritzer, Schlieren, Verwerfungen geht er mit der Rakel hinein, kratzt die nassen Farbspuren auf bis auf den weißen Leinwandgrund und bearbeitet sie danach mit einem trockenen Pinsel, so dass die Linien ineinander übergehen oder sich verwischen. Dieser Technik ist Götz treu geblieben, weiterentwickelt hat er sie durch Abklebungen oder farbige Einfügungen.

Bewegung und Unterbrechung

In der Berliner Neuen Nationalgalerie  läuft nun schon seit einigen Wochen die erste große Schau zum 100. Geburtstag, die anschließend nach Duisburg und Wiesbaden wandert. Mit 70 Bildern aus dem Gesamtwerk dokumentiert sie seinen furiosen Aufbruch auf meterlangen Gemälden mit explodierenden Farbbündeln, wirbelnden Pinselhieben, gedrehte Linien. Bis vor kurzem hat der fast erblindete Götz täglich gemalt, seine Frau, die Malerin Rissa, hat ihn dabei geführt. Jetzt allerdings sei er zu schwach dafür, heißt es.

Auch die Kunstsammlungen Chemnitz zeigen mit 150 Werken einen Überblick mit Bildern von 1958 bis 2004, dazu das Stahlrelief "Ingrid". Und natürlich gehören die fünf farbigen Bleiglasfenster von 1995 nach Entwürfen von K.O. Götz im Treppenhaus des Museums am Theaterplatz zur Ausstellung, auch wenn sie immer zu sehen sind. Die Eröffnung ist übrigens am Abend des 100. Geburtstags.

Und auch Wismar zeigt K.O. Götz. Im St.-Georgen-Kirchhof hat sein langjähriger Künstlerfreund Udo Scheel mit 30 großformatigen Lithografien aus seinem Privatbesitz eine feine Schau eingerichtet, die den großen Ausstellungen nicht nachsteht. Auch hier Bewegung und Unterbrechung, dicke Spuren lösen sich in Schwerelosigkeit und Transparenz auf.

Spitzenpreise von bis zu 400.000 Euro

Damit wurde K.O. Götz zu einem der bedeutendsten Maler der deutschen Nachkriegskunst, parallel zu den Abstrakten Expressionisten in Amerika, deren Freiheit, so Götz in einem Interview, ihn "stimulierte, die Schnelligkeit des Malvorganges zu steigern", natürlich mit eigener künstlerischer Konzeption. Die hat er auf der Documenta 2, auf zwei Venedig-Biennalen und unzähligen Einzelausstellungen unter Beweis gestellt. Und auch von 1959 bis 1979 als Professor für "freie Malerei" an der Kunstakademie Düsseldorf, wo Künstler wie Gotthard Graubner, Sigmar Polke, Gerhard Richter, Götz' spätere Frau Rissa und Franz Erhardt Walther seine Schüler waren.

Allerdings ließ die Begeisterung für die freie, gegenstandslose "Informel"-Malerei in den sechziger Jahren nach - zu unkritisch sei sie und geschichtsvergessen gegenüber der jüngsten deutschen Vergangenheit. Eine neue Generation trat an mit deutscher Zero-Kunst, amerikanischer Pop-Art, Sigmar Polke und Gerhard Richter gründeten ihren "kapitalistischen Realismus", und eine Ära der Concept Art begann - und die Museen räumten ihre informellen Bilder ins Lager.

Erst seit 2005 ist das Interesse an deutscher informeller Malerei wieder gewachsen. Dass Götz' Bilder heute Spitzenpreise von bis zu 400.000 Euro auf dem Markt erzielen, davon hat der Hundertjährige wahrscheinlich nicht mehr allzu viel. Aber es wird ihn freuen, dass das Revival seiner Kunst auch in Museen stattfindet.


Kommende Einzelausstellungen K.O. Götz  zum 100. Geburtstag: Kunstsammlungen Chemnitz  , 23.2.-4.5.;
Wanderschau K.O. Götz: Neue Nationalgalerie Berlin, noch bis 2.3.; MKM Museum Küppersmühle, Duisburg, 21.3.-15.6.; dann ab 11.7. im Museum Wiesbaden.
St.-Georgen-Kirche, Wismar, bis 2.3.

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