Auszeichnung Harry für Emma
Düsseldorf - Mit Pumps und pompöser Ausstrahlung steht Alice Schwarzer auf der Bühne im Düsseldorfer Opernhaus und nimmt den Preis entgegen, der ihr im Namen eines "wahren Vorbildes, ja eines frühen Idols" gegeben wird. Sie erhält die Ehrengabe 2006 der Heinrich-Heine-Gesellschaft. Alle 1300 Plätze sind vergeben, Hunderte blieben ausgeschlossen.
Wenige Stunden zuvor und nur wenige Straßenzüge weiter übergab der Oberbürgermeister Joachim Erwin (CDU) feierlich das frisch renovierte Heinrich-Heine-Geburtshaus in der Bolker Straße 53 an den Verein zur Förderung des Hauses.
Der 17. Februar ist der 150. Todestag Heinrich Heines und gleichzeitig der Düsseldorfer Auftakt zum Heine-Gedenkjahr 2006. Es werden mehrfach "Excellenzen" begrüßt, "Magnifizenzen" gewürdigt und vor allem wird dem Dichter des Abends eine - und bestimmt nicht letzte - große Würde erwiesen.
Der "beliebteste Sohn Düsseldorfs" wird beim Festakt in der Oper von pathetischen Superlativen nur so überhäuft. Als "größten und wichtigsten Aufklärer" bezeichnet ihn Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU). Vom "ersten europäischen Autor" und vom "Dauerzenit in Heines Ansehen" spricht Avi Primor, der ehemalige Botschafter Israels.
Er weist in seiner Laudatio auf eine gewisse Gespaltenheit hin, die Alice Schwarzer bezüglich ihres Idols Heine haben könnte. Denn der aufrührerische, aufklärerische Dichter hatte eine einseitige Leidenschaft für Frauen: "Ich halte nichts von der Emanzipation. Ich bin zu sehr verheiratet", soll er seinem Verleger Julius Campe erklärt haben.
So sehr alle Anwesenden die in der Verleihungsurkunde angesprochenen "Parallelen zwischen dem rheinischen Landsmann Heinrich Heine" und der Frauenrechtlerin auch erkennen, so ahnt man die Widersprüche der beiden. Die offensichtlichste Gemeinsamkeit ist ihre Wanderung vom Rhein nach Paris und ihr widerstandsreicher Kampf für ihre Überzeugungen mit der Waffe "Wort".
Dennoch, eines trennt die beiden. In ihrer Dankesrede spricht Alice Schwarzer es aus: "Ich wurde Feministin und mein inniges Verhältnis zu Heine getrübt." Für den charmanten Lebemann seien Frauen in Kopf und Körper aufgeteilt gewesen. "Frauen mit Kopf kann er nicht begehren, Frauen mit Körper kann er nicht achten." Das, sagt sie, nehme sie ihm übel.
Der Direktor des Heine-Instituts, Jospeh Anton Kruse, deutet es in seiner Rede an: Heine sei "gewiss kein einfacher, gar pflegeleichter Autor" gewesen. Er meint Heines unermüdliche, politische Querulanz. Heine war vielen schlichtweg "zu links". Wird er heute als "erster Europäer" gelobt, so war er zunächst dafür verfolgt, später noch lange dafür geschmäht. Ja, er sei eben "seiner Zeit voraus" gewesen, heißt es in den Festreden. Vergessen wird aber, wie lange Düsseldorf seiner Zeit hinterher war.
Das anschaulichste Beispiel für die Gespaltenheit der Düsseldorfer zu Heine ist der Streit um die Umbenennung der Universität. Der erste Aufruf, die Schule nach dem berühmten Sohn der Stadt zu benennen, scheiterte bereits 1968.
Die relative junge Universität sollte nicht durch eine Aufsehen erregende Namensgebung mit einem linken Marxisten, der zudem noch konvertierter Jude war, gefährdet werden. Es gab bestimmt auch andere Erklärungen. Der "Ruhestörer" Heine, dessen Bücher von den Nazis verbrannt worden sind, stand noch lange für ein unbequemes Deutschlandbild. 1972 war der 175. Geburtstag des weltweit berühmten Dichters Düsseldorf noch keinen Festakt wert. Das Heinrich-Heine-Institut hatte kein Domizil, das Heine Geburtshaus war in Privatbesitz und die Heine-Gesellschaft suchte per Annonce nach einem "schlichten, billigen Zimmer, mit möglichst zentraler Lage".
Bis 1988 weigerte sich die Hochschulverwaltung trotz mehrerer Initiativen strikt, die Universität Düsseldorf in Heinrich-Heine-Universität umzunennen. Zum Verständnis der Zeit: In Heines Geburtshaus stand eine Zapfsäule im Mittelpunkt, immerhin nach ihm "Heines Bierakademie" benannt. Peinliche Angelegenheiten, die das schlechte Gewissen der Stadt gegenüber der "Wunde Heine" erst allmählich überwindet. Die Stadt ist stolz auf "ihren Heine", trotzt Oberbürgermeister Erwin, "und das seit 50 Jahren." Dann gibt er doch zu: "Wir sind natürlich auch offener geworden."
Derweil nutzt Alice Schwarzer in ihrer Dankesrede die Gelegenheit, über die Unterdrückung der Frau zu Heines Zeiten und heute zu sinnieren. Heine war gegen die Unabhängigkeit der Frauen, weil er von der Abhängigkeit der Frauen profitierte. Mit einem verschmitzten Lächeln sieht sie in die Runde der glänzenden Sakkos und Pelzkrägen und fügt hinzu: "Zum Glück sind solche Männer heute keine anwesend."