Widerstand gegen Muslimbrüder Ballett-Protest in Ägypten

Bewegter Protest: Künstler tanzen vor dem Kulturministerium in Kairo
Foto: ASMAA WAGUIH/ REUTERSKairo - "Wir widmen unseren Auftritt den Ägyptern und Ägypten, wo Ballett eine 80-jährige Tradition hat", kündigt einer der Künstler den Protest an. Dann treten drei Tänzer und eine Tänzerin in Sneakers, engen Jeans und T-Shirt vor dem Kulturministerium auf. Ihr klatschendes Publikum animieren sie zum Mitmachen. Nach kurzer Zeit tanzen Dutzende Menschen ausgelassen vor dem Kulturministerium in Kairo. So zeigen es die Video-Aufnahmen der ägyptischen Zeitung Al-Ahram.
Ägyptens Ballett-Tänzer streiken. Seit einigen Tagen halten die Künstler des Opernhauses von Kairo das Kulturministerium besetzt. Am Sonntagabend haben sie eine Protestkundgebung vor dem Gebäude veranstaltet - tanzend.
Mobil-Nutzer können sich das Video hier anschauen.
Die Ballett-Proteste sind die jüngste Front im Kulturkampf zwischen den herrschenden Islamisten und Ägyptens Liberalen. Noch kein Jahr ist Präsident Mohammed Mursi an der Macht. Dennoch haben der Muslimbruder und seine Verbündeten es geschafft, das Land zu polarisieren.
Auslöser für die Ballett-Proteste ist das rücksichtslose Vorgehen des erst im Mai ernannten neuen Kulturministers, Alaa Abdel-Aziz. Er ist der erste Anhänger der Muslimbruderschaft, der diesen Posten innehat.
Kaum im Amt hat Abdel-Aziz angefangen, Ägyptens Kulturszene umzukrempeln. Er feuerte eine handvoll führender Künstler Ende Mai ohne Vorwarnung, darunter auch Ines Abdel-Dayem, die Chefin der Kairoer Oper.
"Der Kulturminister versucht die Identität dieses Landes zu verändern", klagte Nayer Nagui, Leiter des Orchesters der Kairoer Oper. Die Politik wolle Ägypten "vermuslimbrüdern".
Ballett sei zu freizügig, glauben die Salafisten
Weiter angefacht wurden die Befürchtungen der Künstler auch durch die Diskussionen im Oberhaus des Parlaments. Dieses ist übergangsweise für die Gesetzgebung zuständig, seit das Unterhaus aufgelöst wurde. Die Muslimbrüder und Salafisten haben darin zusammen die absolute Mehrheit.
Ein Abgeordneter der Salafisten schlug im Oberhaus vor, Ballett vom Programm der Kairoer Oper zu streichen. Die "Nacktheit" darin sei unislamisch. Der Forderung kam das Oberhaus zwar nicht nach. Doch mit klaren Worten dem Vorschlag widersprochen hatte auch niemand.
Seitdem hat die wichtigste Salafisten-Partei "Nur" noch einmal nachgelegt und den Künstlern der Kairoer Oper vorgeworfen, jahrzehntelang nur die "freizügigsten und dekadentesten Künste" aufgeführt zu haben.
Die Liberalen rüsten sich für eine "zweite Revolution"
Die Ballett-Tänzer sind seit dem Rausschmiss ihrer Chefin im Streik. Das Kulturministerium wollen sie so lange besetzt halten, bis der Minister zurücktritt. Ihrem Protest haben sich inzwischen Schauspieler, Schriftsteller und andere Künstler angeschlossen. Es geht längst um mehr als Ballett.
Viele Liberale halten die Vorgehensweise des Kulturministers für symptomatisch. Sie glauben, dass die Muslimbruderschaft dabei ist, dem ganzen Land ihre Vorstellungen aufzuzwingen.
Am 30. Juni wird sich die Amtsübernahme von Mohammed Mursi zum ersten Mal jähren. An diesem Tag wollen die Unzufriedenen Millionen gegen die Muslimbruderschaft auf die Straße bringen und eine "zweite Revolution" ausrufen.