
Whisky-Messe Nürnberg: Macher, Händler, Trinker
Whisky-Land Deutschland Der Männergetränkverein
Der Master of the Quaich ist müde. In der Nacht vor der Messe traf man sich auf einen gepflegten Plausch beim Whisky in der Stammbar des Most Venerable Order of the Highland Circle . Der Nürnberger Whisky-Genießer-Club mit eigenem, offiziell registrierten Kiltmuster zählt rund 60 Köpfe, und Bernhard Schäfer ist der Vorsitzende. Sein Leben dreht sich nicht nur um Whisky, er lebt davon: als Whiskynista, Master und Vorsitzender, als Spirit Expert und Fachjournalist.
Es ist kurz nach zehn Uhr am Morgen, und die ersten Hundertschaften Messebesucher fallen ein. Schäfer trägt Anzug in schottischem Tartan-Muster. Heute ist er vor allem Moderator, zwischen den Auftritten werden Kontakte gepflegt. Zum ersten Mal bietet die Freizeitmesse Nürnberg Anfang März auch eine Whisky-Halle. "The Village" , so die Planung, soll aus dem Stand zu einer der größten Messen ihrer Art werden. Vierzig Aussteller sind zusammengekommen, und die meisten kennen sich gegenseitig.
Inder stehen da neben Schotten, Iren neben Deutschen. Unter den Lokalmatadoren ist Hans Kemenater, 31, so eine Art aufsteigender Jungstar. Der überraschend jugendliche Brennmeister leitet die Produktion von Slyrs, der größten Destillerie des Landes . Im letzten Jahr, erzählt er, habe Slyrs 75.000 Flaschen abgesetzt. Die Gesamtproduktion liege mittlerweile bei über 100.000.

Kuriosa: Wissenswertes über Whisky
Das sind ganz neue Größenordnungen. "Probieren Sie mal", lädt Kemenater an seinem Stand ein und serviert einen Whisky von rot-goldener Färbung. "Der ist mehrere Jahre im Sherryfass nachgereift", sagt Kemenater. Komme bald auf den Markt. Der wartet darauf, denn bei schottischen Malts gibt es zunehmend Engpässe, weil asiatische Abnehmer so viel davon ankaufen.
Wer mit Whisky handelt, ihn herstellt, importiert oder darüber reden kann, der geht zu den Messen. 23 größere davon wird es in diesem Jahr in Deutschland geben. Die Whisky-Aficionados sind ein fahrendes Volk.
So wie ihre Kunden. So mancher leistet sich im Urlaub sogar Destillerie-Rundreisen. Wenn Kenner zusammenkommen, redet man über Brennmeister, als ginge es um alte Freunde und Verwandte.
Das Wissen vieler Fans ist lexikalisch. Sie mögen Whisky, Essen, die Kultur, Zigarren, viele auch Rum. Sie mögen das Ambiente, Dudelsäcke, Kilts, karge Hügel, Hochmoor und Torfgeruch, sie prosten mit "Slainte!". Manche fachsimpeln über die Tücken der Anfahrt zu Highland-Destillerien.
Schnapsläden mit Schulung
"Die meisten sind natürlich Männer", sagt Bernhard Schäfer, "bestimmt über 80 Prozent." Auch der Nürnberger Whisky-Club, der größte und älteste des Landes, ist letztlich ein Männerbund: "Wir haben eine Frau, als Ehrenmitglied."
Das alles ist wahr, und doch sieht Andrea Gradl die Geschlechtsfrage optimistisch. "Es werden mehr", sagt sie, auch Frauen reize das kulturelle Drumherum. Gradl betreibt mit ihrem Mann Michael eine der drei großen Whisky-Handlungen im Raum Nürnberg. Nebenbei sind die Gradls Importeure ausgesuchter Malts - und veranstalten Whisky-kulturelle Events. Der Dreiklang ist typisch: "Vom Verkauf allein", sagt sie, "kann niemand leben. Tastings, Kurse, Dinners und andere Events machen bei den meisten bestimmt 30 Prozent des Geschäfts aus."
Und das in ungewöhnlich freundlicher Konkurrenz miteinander. Neben Gradl sind im Raum Nürnberg noch Otto Steudel , ein Urgestein der Szene, und Andreas Hertl aktiv. Wer will, bestellt sich bei ihm ein Seminar in "Whisky-Sensorik" und lernt mit "Aromarad und Geruchskasten", wie man beim Tasting mit angemessenen Beurteilungen ("Rauch", "Rosinen", "Schokolade!") glänzen kann.
Die Nachfrage ist da. Auf seinem Terminkalender stehen rund ein Dutzend Termine pro Monat. Manche mit sechs Teilnehmern, aber es sind auch schon mal 120. Die Menschen, die vom Whisky leben, pflegen eine friedliche Koexistenz: Bei Events kooperiert man eher, als dass man sich das Leben schwermacht. Das täten ja schon die anderen.
Gemeint sind die Internethändler. Der größte von ihnen residiert in einem nüchternen Gewerbegebiet in Seeshaupt am Starnberger See. Schon 1993 gründeten Theresia und Horst Lüning als einen der ersten deutschen Web-Shops überhaupt The Whisky Store . Heute verkaufen sie mehr als 500.000 Flaschen im Jahr.
Der Netz-Vortrinker
Wenn man so will, ist der Whisky Store das Amazon unter Deutschlands Whisky-Händlern. Die machen dem Store die typischen Vorwürfe: vor allem auf Masse zu machen, über den Preis. Dem stationären Handel zu schaden.
"Stimmt nicht", sagt Horst Lüning. "Sie können das überprüfen: Bei so gut wie jedem Whisky werden sie irgendwo jemanden finden, der ihn noch etwas billiger anbietet." Die Positionierung des Whisky Store sehe vielmehr so aus: ein möglichst breites Warenangebot lieferbar anzubieten, im unteren Drittel angesiedelte Preise. Also kein Dumping. Ansonsten gebe es vielleicht Neid, meint Lüning: "Jeder hätte das tun können. Aber wir haben es getan."
Was die einen Händler vor Ort tun, versuchen die Internethändler zu virtualisieren. Whisky ist ein erklärungsbedürftiges Produkt, der Kunde verlangt Informationen. Die Lünings bedienen das mit Flaschendatenbanken, Hintergrundinfos und einem 229-seitigen E-Book, das man kostenlos herunterladen kann.
Regelrecht prominent ist Horst Lüning in der Szene aber als Video-Blogger . In Video-Tastings, die zwischen fünf und 30 Minuten lang sein können, erklärt er Hintergründe zum vorgestellten Whisky, probiert ihn vor laufender Kamera und rezensiert ihn regelrecht. Er weiß, dass ihn dabei viele lustig finden. Aber eben auch informativ: über 600 Videos hat er online.
Klar, dass er erfolgreich ist, klar, dass sich On- und Offline-Handel reiben. Einen Verdrängungswettbewerb, wie ihn der Buchhandel befürchtet, wird es beim Whisky-Handel aber kaum geben. Der lebt von den Events, den sozialen Erlebnissen. Vom gemeinsam erlebten Zauber.
Eine kleine Rundfrage unter Ausstellern ergibt nach der Nürnberger Messe eine einhellige Meinung: Es war zu voll. Die Messeleitung, weiß Andrea Gradl schon, plane bereits, die Whisky-Messe im nächsten Jahr zu vergrößern. "Auf jeden Fall!", heißt es da auf Anfrage.