Berliner Modemessen Basar auf dem Bürgersteig

Establishment bei der "Premium", Jungdesigner bei der "Wedding Dress": Von diesem Donnerstag an suchen in Berlin Einkäufer und Modefans bei Messe und Fashion-Festival nach den neuesten Trends.

Messen bedeuten für die meisten Arbeit und nur für wenige Freizeitspaß. Auch auf der Berliner Modemesse "Premium"  (18.-20.7.) ist das nicht anders. Aber Berlin wäre nicht, was es ist, wenn den Berlinern nicht zur Ergänzung einer ernsthaften Order-Messe irgendetwas einfallen würde, was zum Spaß-Image ihrer Stadt passt - ein "Festival of Urban Fashion and Lifestyle" zum Beispiel, und das auch noch im überhaupt nicht angesagten Stadtteil Wedding. Das Mode-, Musik- und Kulturstraßenfest im Brunnenviertel heißt deshalb "Wedding Dress" - und aha, der Groschen fällt, Hochzeitsmode gibt es nicht zu sehen.

Zum dritten Mal findet das Modemesse-Ergänzungsprogramm in der langen Brunnenstraße zwischen Bernauer- und Volta Straße statt und gehört für Berliner schon zum Wedding dazu, genauso wie zur Modemessewoche, die natürlich "Berlin Fashion Week" heißt - auch wenn das nur das etwas kleinere Nachfolgemodell der nach Barcelona abgewanderten "Bread & Butter" ist.

Zum "Ordern" ist "Wedding Dress" nicht gedacht, sondern zum Gucken und Kaufen bei jungen Berliner Labels mit Namen wie "Blutsgeschwister", "Lucid 21", "Extratapete", "granatengarten", "frozenhibiscus" oder heimatlich "Fortschritt-Berlin", "Berlinillustrated", "Berlinkind" und "Marzahn Wear". Die zeigen ihre Mode auf dem "outdoor-fashionbasar", also auf dem Bürgersteig.

Einen Schritt weiter in Richtung Modebusiness sind Designer wie Marcel Ostertag, Van Reimersdahl, Anja Bruhn, Kilian Kerner oder Von Wedel & Tiedeken, die ihre Entwürfe wetterunabhängig präsentieren können. Und zwar in 25 sonst leerstehenden Läden, die Berlins größtes kommunales Wohnungsunternehmen Degewo den Jungdesignern zur Präsentation ihrer Arbeit schon seit dem ersten "Wedding Dress" zur Verfügung stellt. "Bekannt und attraktiv machen" will die Degewo das früher durch die Mauer getrennte Viertel, und die Brunnenstraße soll sich wieder zu einer belebten Geschäftsstraße entwickeln, die sie bis zur Teilung der Stadt gewesen ist.

Aber so was dauert - zum Glück für die Berliner Design-Szene. Denn für sie sind die zur Zeit billigen Mieten eine Chance, Voraussetzung ist allerdings Pionierarbeit in Sachen Kreativität in Wedding. Die leisten zum Beispiel die Designerinnen mit dem angemessenen Namen "Modepioniere" seit April 2005. Damals bezogen sie eine ehemalige Bankfiliale in der Brunnenstraße 67. Allein geblieben sind sie nicht, ein paar Häuser weiter gibt es die "Rosinenburg" der Künstlerin Mia Gideon, die ihr Atelier als sich ständig verändernde Ladeninstallation sieht. Zur Wedding-Dress zeigt dort eine Modedesignerin ihre handgemachte Sommerkollektion mit Originalstoffen aus den siebziger und achtziger Jahren.

Außerdem gibt es den "Drucksalon" von sechs Siebdruckern, die auch Kurse anbieten, oder in der Demminerstraße 3 den Ladenraum "RGB - Wedding im Farbrausch", der jeden Monat knallfarbig umgestrichen und temporär an verschiedene Kreative vermietet wird. Die müssen sich am nächsten Wochenende gegen die Kurzzeitkonkurrenz von Wedding-Dress allerdings schwer was einfallen lassen. Einen Designer-Ausverkauf junger Berliner Labels (Brunnenstraße 65) wird es zum Beispiel geben oder ein Fotostudio, in dem man sich "inszeniert" für eine später folgende Ausstellung fotografieren lassen kann. Und ein Recycling-Atelier, das aus Sperrmüllmöbeln angeblich "wunderschöne Möbelunikate" zaubert.

Eine Modenschau fehlt natürlich nicht, auch wenn gerade diese in Berlin vielleicht keiner braucht. Denn was der junge Fotograf Darryl Natale in seiner Streetstyle-Fashionshow "Sundays's Best" am Sonntagnachmittag (20.7., 15 und 16 Uhr, Brunnenstraße 65) auf den Laufsteg schickt, ist sonst auf Berlins Straßen zu sehen. Natale, Kanadier und Wahlberliner, hat die seiner Meinung nach 20 bestangezogenen jungen Menschen in Clubs und auf der Straße gecastet und schickt sie in ihren eigenen Klamotten über den Laufsteg. Wahrscheinlich könnte er vor Ort noch jede Menge Models finden, vor den zwei Bühnen für das Musikprogramm beispielsweise oder auch an der "Tannenwälder Wurstbraterei" und der "Wiener Strudelmanufaktur", denn noch nicht mal die Models auf der "Wedding Dress" brauchen Größe-Null-Figuren, für die man höchstens am Salatblatt knabbern kann.


"Wedding Dress 3".  Festival of Urban Fashion and Lifestyle. 19./20.7., Berlin, Brunnenstraße.

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