Berliner Museumsinsel Chipperfields gelungener Tempel

"So nicht" schallte es aus dem Berliner Blätterwald, als der britische Stararchitekt David Chipperfield einen ersten Entwurf für einen Eingangsbau auf der Museumsinsel vorlegte. Nun hat er seinen Plan komplett überarbeitet - und überzeugt weitgehend.

Berlin - Peter-Klaus Schuster ist ein Mann der griffigen Formulierungen. Er weiß die Feuilletons zu bedienen, es macht ihm sichtlich Spaß, nach immer neuen wortmächtigen Bildern zu suchen. Am Mittwochvormittag, bei der Pressekonferenz im voll besetzten "Wiegand-Saal" unter dem Pergamonaltar, kommt der Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. David Chipperfield habe für den zentralen Eingangsbereich auf der Museumsinsel die "Würdeformel" schlechthin gefunden: "Der Tempel auf dem Sockel".

In der Tat.

Chipperfield hat mit seinem jüngsten Entwurf alle Kritiker überrascht. Was ist nicht alles geschrieben worden über seinen ersten Plan: Von einem "Container" war die Rede, von einem "kistenförmigen Gebilde".

Es hagelte Kritik, auch international, steht die Museumsinsel doch unter Unesco-Schutz. Michael Petzet, der Präsident von Icomos, das für die Unesco die Weltkulturerbestätten begutachtet, hatte sich einst "wenig begeistert" von den ersten Plänen gezeigt. Eine lokale Bürgerinitiative drohte und droht weiter mit einem Volksbegehren - nicht nur gegen den Eingangsbereich, sondern auch gegen das andere, weit fortgeschrittene Großprojekt Chipperfields auf der Insel, der Instandsetzung des Neuen Museums. Ihnen passt die ganze Richtung nicht - sie wollen den historischen Bebauung, am liebsten nach den Ursprungsplänen des Museumsinsel-Archikteten Alfred Messel.

Herbst und Winter waren schlechte Monate für Chipperfield in Berlin. Niemand kannte seine Überarbeitung, es wurde viel spekuliert. Dabei konnte man ahnen, zu welchen Leistungen Chipperfield in der Lage ist: In Sichtweite des Stüler-Baus entsteht auch noch sein Lückenschluss für den privaten Kunstsammler Heiner Bastian, zurückhaltend und schlicht.

In Berlin zumindest wurde er heute für seinen überarbeiteten Entwurf des Museumseingangs mit Lob überschüttet. Da errötete der britische Stararchitekt sogar leicht. Architektur der "klassischen Moderne", eben keine "Postmoderne" sei das, jubelte Schuster. Sie atme "Leichtigkeit", assistierte der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Klaus-Dieter Lehmann. Man sei, räumte er ein, von der öffentlichen Diskussion ja nicht "unberührt" geblieben und sprach von Chipperfield als einem "Glücksfall". Schließlich sei er als Architekt "dialogfähig" und "nicht autistisch".

Die Kolonnaden als Stilprinzip

Was sich nun dem Betrachter bietet, ist die Versöhnung der Moderne mit dem Bestand. Es ist ein von schlanken Kolonnaden und einer breiten Treppe bestimmter Bau, der sich, auch was die sandsteinartige Farbwahl angeht, ins Ensemble einfügt. Dagegen wirkte sein erster Entwurf von 2001 wie ein Rückfall in den "New Brutalism", der Architektur der Zerstörung, die ohne Rücksicht auf ihre Umgebung in den sechziger Jahren in Europa und in den USA jene augenscheinlichen Verheerungen anrichtete, unter denen bis heute der Ruf der modernen Architektur leidet.

73 Millionen Euro hat der Bundestag für den zentralen Eingangsbereich der Museumsinsel bewilligt. Nicht erst seit der Wiedereröffnung des Bode-Museums erlebt der "Sehnsuchtsort für alle", wie es Schuster pathetisch und treffend zugleich formulierte, einen anschwellenden Besucherstrom.

Berlin als Touristenmetropole boomt, die Zahl der Übernachtungen steigt und steigt. Ein Besuch der Museuminsel gehört zum Pflichtprogramm vieler Anbieter. Schon jetzt ist der schmale Eingangsbereich zum Pergamonmuseum überlastet, bilden sich zu mancher Stunde und an vielen Tagen Warte-Schlangen und Menschen-Trauben. Auch Busse parken die Sicht auf die Museumsinsel zu, für die der Architekt Alfred Messel Anfang des 20. Jahrhunderts die Baupläne entwarf, die nach seinem Tod sein Freund Ludwig Hoffmann bis in die frühen dreißiger Jahre teilweise umsetzte.

Dort, wo heute eine Leerfläche ist und Chipperfields Neubau voraussichtlich ab 2009 bis 2012 entstehen soll, war einst der Packhof. Er wurde bereits 1939 abgerissen, seitdem ist es Brachland. Der Zweite Weltkrieg setzte dem Gesamtensemble schwer zu - nicht zuletzt dem von Friedrich August Stüler entworfenen Neuen Museum. Chipperfield hat dem nahegelegenen Stüler-Bau mit der Gestaltung des Eingangsbereichs nunmehr eine neue Platzform gegeben - abgeschlossen durch Kolonnaden, die sich in ihrer Höhe an bereits bestehende auf der Museuminsel anschließen. Überhaupt die Kolonnaden - sie sind das Stilmittel schlechthin: Zur Spreeseite hin sind sie auf dem Sockel des Eingangsbaus höher angelegt - und verleihen so dem Ganzen einen luftigen Charakter.

Wird der Stüler-Bau verstellt?

Chipperfield sprach von einer Verbindung von "Funktionalität" und "anderen vagen Dingen, die in diesem Gebäude aufgehen". Im Neubau, benannt nach dem jüdischen Tuchhändler und Mäzen James Simon, sollen nicht nur ganz profane Elemente wie Kassen, Toiletten, Garderobe untergebracht werden, auch ein Auditorium und Räume für Wechselausstellungen ist vorgesehen und im oberen, zur Spree hingeöffneten Seite, gastronomische Einrichtungen. Das Unbestimmte, das Chipperfield ausmachte, ist wohl der Bau an sich: er wirkt wie ein Solitär, doch einer, der sich respektvoll an das Pergamongebäude anschließt.

Noch sind nicht alle Details ausgearbeitet, denn die Präsentation des Entwurfs wurde vorgezogen, um die Öffentlichkeit frühzeitig zu informieren. Bis zum Jahresende hofft der Architekt die Entwurfsphase abgeschlossen zu haben. Eine Frage, die sich auch am Mittwoch in der Pressekonferenz nicht gänzlich erschloss, ist die der Sicht auf Stülers Neues Museum. Vom gegenüberliegenden Kupfergraben aus wird wohl nur der Dachgiebel zu erkennen sein.

Nicht alle sind begeistert an diesem Tag. Annette Ahme, die eine Bürgerinitiative "Rettet die Museumsinsel" für die historische Rekonstruktion anführt, ist an diesem Tag zur Pressekonferenz erschienen und hat sich unters Publikum gemischt. Sie hält im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE den Neubau für den falschen Platz, das Alte Museum solle der Haupteingang sein. Auch werde der Stüler-Bau durch Chipperfields Entwurf "verstellt". Wenn, dann solle man die Pläne von Messel aus dem Jahre 1907 realisieren. "Die liegen ja vor", sagt sie.

Doch das lehnt die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ab. Historisch zu bauen, hieße die "ganze Philosophie" der Insel "zu verraten", sagt deren Präsident Lehmann. Auf dem Ort seien schließlich viele Epochen architektonisch vertreten - "vom Wilhelminismus bis hin zu den robusten Bauten der dreißiger Jahre".

Chipperfield, das ist der feste Wunsch Lehmanns und Schusters, soll sich in diese Ahnengalerie einreihen.

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