Beutekunst-Rückgabe Polen stellt sich stur

Die deutsch-polnischen Verhandlungen über die Rückgabe sogenannter Beutekunststücke, die nach dem Krieg nach Osten verlagert wurden, hat einen neuen Tiefpunkt erreicht. Die Rückgabe der Kunstwerke, darunter Handschriften von Goethe, komme nicht in Frage, hieß es.

Berlin - Außenamtssprecherin Julia Gross teilte heute in Berlin mit, es gebe Kontakte zwischen beiden Seiten, "aber Gespräche könnten sicherlich intensiviert werden". Erfolge gebe es derzeit nicht zu vermelden. Vorausgegangen war eine scharfe Erklärung, mit der das polnische Außenministerium auf Berichte in deutschen Medien über Eigentumsfragen reagierte. Darin hieß es, die Rückgabe der Güter an Deutschland komme nicht in Frage.

Alle Kunstwerke, Bibliotheks- und Archivmaterialien sowie alle anderen Objekte deutschen Ursprungs, die sich im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg auf polnischem Territorium befanden, seien legal in polnisches Eigentum überführt worden. Die Eigentumsentscheidung sei endgültig. Rückgabeforderungen seien "vollkommen grundlos und können nicht in Betracht gezogen werden".

Die Kulturschätze, darunter zahlreiche wertvolle Bücher sowie kostbare Handschriften von Goethe, Beethoven und Mozart, allesamt aus der Preußischen Staatsbibliothek stammend, waren zum Schutz vor Bombenschäden in die deutschen Ostgebiete verlagert worden, die im Ergebnis des Krieges Polen zugeschlagen wurden. Die Sammlung wurde letztlich der Universität von Krakau übergeben. In der polnischen Erklärung hieß es außerdem: "Die polnische Öffentlichkeit erinnert sich noch immer an die Kunstwerke, die weggeschafft wurden, an die niedergebrannten Bibliotheken und Archive, für die es nie eine Entschädigung gegeben hat."

Dabei waren die Verhandlungen schon einmal weiter gediehen, allerdings noch zu Zeiten des Ostblocks. 1977 überreichte der kommunistische Staatschef Polens, Edward Gierek, dem DDR-Regenten Erich Honecker sieben musikalische Werke, darunter Mozarts Originalhandschrift der Musik zur "Zauberflöte" und Beethovens Noten für die Neunte Sinfonie.

1991, nach dem Ende des Kalten Krieges, wurden die Verhandlungen zwischen Polen und der Bundesrepublik Deutschland erneut aufgenommen, seitdem ziehen sie sich zäh dahin und haben nun wohl einen neuen Tiefpunkt erreicht. Letzte Woche nannte die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" die in Polen lagernden deutschen Kunstschätze "die letzten deutschen Kriegsgefangenen".

Solche Rhetorik, wiewohl gerechtfertigt, dürfte nicht gerade zur Entspannung beitragen, zumal die Rückgabedebatte aus polnischer Sicht ohnehin in eine Zeit fällt, in der die deutsch-polnischen Beziehungen durch die Debatten über ein Zentrum gegen Vertreibungen sowie durch Rückgabeklagen einzelner Vertriebener belastet werden, die kürzlich vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrecht eingereicht wurden.

Grundsätzlich hat sich Polen bereit erklärt, mit Deutschland über eine große Anzahl belastender Dinge zu sprechen. Die Gespräche müssten aber in geeigneter Atmosphäre und unter Berücksichtigung polnischer nationaler Interessen geführt werden, hieß es.

bor/AP

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