Beverly Hills Kebab im Vorgarten
Wenn es um den Krieg der Wörter zwischen den USA und Iran geht, um Begriffe wie "Schikane", "Demütigung" und "Zentralbank des Terrors", dann ist die Stunde eines Radiosenders gekommen, der ausgerechnet vom Wilshire Boulevard aus sendet, der Verkehrsachse von Beverly Hills.
Die Station Sedaye Iran (deutsch: Stimme des Iran) lässt in Farsi und auf Kurzwelle kein gutes Haar an den Mullahs und an Präsident Ahmadinedschad im fernen Teheran. Patriotische Lieder werden gesendet und Aufrufe "gegen die Unterdrückung und Tyrannei der religiösen Herrscher" - und hin und wieder gibt es ein Interview mit Reza Cyrus Ali Pahlevi, 45. Pahlevi ist ein gern gesehener Gast am Wilshire Boulevard und Sohn des Schah Reza Pahlevi, der 1980 nach seiner Vertreibung aus Iran im Exil starb.
Der großmächtige Schah hatte Beverly Hills noch 1978 einen Besuch abgestattet. Dabei war kurios, dass er ein iranisches Restaurant eröffnete - das Golestan. Dem Golestan aber war kein Erfolg beschieden, denn wenig später, nach dem Umsturz in Teheran, ging das Restaurant in den Besitz der Revolutionsregierung Ajatollah Khomeinis über, die prompt die Alkohollizenz verkaufte. Fast ebenso schnell musste das Restaurant daraufhin Konkurs anmelden.
Man spricht Farsi
Heute aber boomt das Geschäft mit iranischen Spezialitäten wie Pilaureis und Pilaufisch und dazu persischem Bauchtanz und persischem Pop. Sechzig iranische Restaurants buhlen derzeit in Los Angeles um Gäste - ein bunter Strauß, zu dem etwa das Vanak in Tarzana gehört: Die Speisekarte ist dort mit Filzschreiber und auf Farsi an die Wand geschrieben wie im Zentraliran an den einsamen Lastwagen- Stopps.
Farsi ist aber auch im vornehmen Darya zu hören, wo Marmorböden und korinthische Säulen das Ambiente bestimmen. Das Darya befindet sich in Amerikas meistbesuchter Shopping Mall, der South Coast Plaza, südlich von Los Angeles bei Anaheim. Am Nachbartisch warnen hier iranische Mütter die Kleinen, ja nicht den Reis zu verstreuen. Andernfalls, so wird den Kindern erklärt, müssten sie am Tag des Jüngsten Gerichts mühsam jedes Reiskorn mit den Wimpern aufpicken.
Manchmal filmen im Darya auch Farsi-Fernsehsender, von denen es in Los Angeles ein Dutzend gibt. Einige von ihnen übertragen via Satellit Politisches ins Reich der Ajatollahs, doch die meisten wenden sich an Iraner im großen Becken von Los Angeles - mit Kochsendungen, Musikvideos und Liebesfilmen aus der Schah-Ära. Finanziert wird das Programm mit Hilfe lokaler Sponsoren und dem Verkauf von Telefonkarten und Teppichen.
Bestes Klima für Neuankömmlinge
Gut 1,2 Millionen Exil-Iraner leben in den USA und davon die Hälfte in Los Angeles, deshalb auch "Tehrangeles" genannt. Die große Mehrheit der Migranten machte sich nach dem Sturz des Schah in die Engelsstadt auf. Das Klima schien jenem des Iran zu ähneln und die Palmen jenen von Shiraz - und auch die Weite der Wüsten nördlich von Los Angeles war den Einwanderern vertraut.
"Los Angeles - das bedeutete, Freunden nahe zu sein und in einer iranischen Gemeinschaft zu leben", meint zum Beispiel die Schauspielerin Roxana Rastegar. Ihre Familie zog damals nach Beverly Hills und dort in die schönen Vorberge nördlich des berühmten Sunset Boulevard. Der Kaufpreis des Rastegar-Hauses betrug damals zwei Millionen Dollar. Inzwischen bekamen die Preise Flügel: Makler schätzen, dass die Anwesen dort heute an die 30 Millionen Dollar wert sind.
Die manikürte Sonderwelt Beverly Hills lockte Angehörige der westlichen Intelligenzija Irans, Militärs des Schah, Pistazien- und Kaviarhändler an - und iranische Juden, die sich vom Regime der Mullahs nichts Gutes versprachen. In den letzten Jahren rückten aber auch Zuwanderer nach, die auf eine Reformbewegung in Iran gehofft hatten, dann aber durch den Aufstieg der Hardliner enttäuscht wurden.
Vielfalt der Globalisierung
Jeder fünfte Bewohner von Beverly Hills stammt mittlerweile aus Iran. Iranische Hochzeiten sorgen dafür, dass die Ballsäle der Hotels gut belegt sind. Iranerinnen haben sich den hochhackigen Damenwelten angeschlossen, die in schicken Galerien und in den Boutiquen am Rodeo Drive verkehren - und wenn die Iraner von Montag an ihr mehrwöchiges Neujahrsfest Nourus begehen, werden in vielen Vorgärten von Beverly Hills Kebabs mit Bergen von Kräutern gegrillt werden.
Die Zeiten, in denen dort das lauteste Geräusch das Zischeln der Rasensprenger war, sind ein für allemal vorbei. Zwar stellen in Beverly Hills 34.000 weiße Amerikaner immer noch die Mehrheit. Doch die Dampfwalze der Globalisierung verschiebt auch hier die Strukturen: Nach den Iranern machen Zuwanderer aus Asien bereits acht Prozent der Wohnbevölkerung aus; hinzu kommen Neuzugänge aus Nahost und den ehemaligen Satellitenstaaten der untergegangenen Sowjetunion.
"In unserem Block mit 16 Häusern sind von den Bewohnern nur drei in den USA geboren", erklärte zum Beispiel Nancy Heimler der "Los Angeles Times". Die 53-Jährige kennt Beverly Hills so gut wie den Inhalt ihrer Handtasche. "Unsere Nachbarn kommen aus Israel, Iran, Ägypten und Rumänien."
Südlich des Wilshire Boulevard residieren aber auch keine Fernsehprozudenten oder Talkshow-Moderatoren, die in der Medienbranche das große Geld verdienen und in prachtvollen Villen leben. Die Zuwanderer leben in Appartements, wie sie beliebiger und allamerikanischer nicht sein können. "Das mag viele überraschen, aber Beverly Hills besteht eben nicht nur aus Glamour und Berühmtheiten. Viele unserer Kunden sind ganz einfach Mieter," bestätigt Michael Libow von der großen und angesehenen Maklerfirma Coldwell Banker.
Die Makler registrieren mittlerweile eine Art von Binnenwanderung im Kleinen - von Familien, die es sich früher nicht vorstellen konnten, in Beverly Hills zu leben. Judy Cohen etwa wohnte 26 Jahre in Brentwood, wo man Steven Spielberg oder Alanis Morissette als Nachbarn haben kann. Doch wegen ihrer Adoptivtöchter aus China und Kasachstan ist Judy Cohen nach Beverly Hills gezogen, wo sie die "walkability" sehr schätzt, die Möglichkeit, zu Fuß gehen zu können. Und sie mag natürlich auch, dass die Kinder auf ruhigen Straßen mit dem Rad fahren können - und das sogar wie in Europa zur Schule.
Migration macht Schule
Die Schulen von Beverly Hills sind inzwischen selbst Hochburgen der Einwandererkinder, vorneweg jener mit iranischer Herkunft. Die iranischen Zöglinge machen bereits 40 Prozent der jeweiligen Klassenstärke aus - von den Grundschulen bis hin zur Beverly Hills High School, die im Stil einer Normannenburg einschüchternd über dem Moreno Drive emporragt.
Iranische Eltern legen größten Wert auf gute Schulen, selbst wenn es sich nur um Kleinunternehmer handelt, die Jeansjacken mit Ornamenten aus Glitter und Billigschmuck verzieren. Voriges Jahr schnitten die Schulen von Beverly Hills im sogenannten Academic Performance Index Growth Report, einer Art amerikanischen Pisa-Studie, hervorragend ab. Spitzenreiter war die Grundschule Beverly Vista mit 887 Punkten; die Beverly Hills High School, deren Motto "Gut gelebt heute" ("Today well lived") lautet, konnte sich da mit 814 Punkten durchaus sehen lassen.
Selbstverständlich ist das keinesfalls, denn in der Normannenburg ergeben sich Spannungen zwischen den Nationalitäten: Die Schüler kommen aus 57 Ländern und sprechen neben Englisch 27 weitere Sprachen, hat Jeffrey Hubbard, der Superintendent des Schuldistrikts, errechnet. Um der Probleme Herr zu werden, hat der Distrikt ein "multikulturelles Komitee" gegründet - "damit sich Verständnis und Toleranz zwischen den Schülern verbessern", so der Superintendent ein wenig rätselhaft.
Der jüngste Zoff an der Beverly Hills High School betrifft das Videospiel "Tony Hawk's American Wasteland" - ein irrwitziger Skateboard-Trip durch Los Angeles und Beverly Hills. Um Nachahmer zu bremsen, hat das Rektorat Metallhöcker auf den Geländern der Schule angeordnet, was den Skateboardern schwer missfällt. "Das ist blöder als blöd", schimpft etwa Emil Naim, 15. "Sie machen unsere Skateboards illegal."
Dafür haben die Kids nun Zeit, noch öfter Videos der schrägen TV-Serie "Tattooed Teenage Alien Fighters from Beverly Hills" anzusehen. Die iranischen Jugendlichen fühlen sich längst nicht mehr als Aliens. Sie sind hier zu Hause.