Ein Islamist, der wegen eines Attentatsplans verurteilt wurde, muss hinnehmen, dass ein Foto von ihm unverfremdet veröffentlicht wird - obwohl bei seinem Prozess anderes angeordnet wurde. Mit dem Urteil wertet der Bundesgerichtshof die Pressefreiheit höher als den Persönlichkeitsschutz des Klägers.
Karlsruhe/Hamburg - Der Bundesgerichtshof (BGH) hat den Medien den Rücken gestärkt und den Abdruck des Fotos eines Terroristen in der "Bild"-Zeitung für zulässig erklärt. Der rechtskräftig verurteilte Mann aus Augsburg muss es dulden, dass sein Foto veröffentlicht wird und sein Gesicht darauf erkennbar ist. Der Prozess in Stuttgart, bei dem das Bild entstand, sei ein zeitgeschichtliches Ereignis von herausragender Bedeutung gewesen. Der Schutz der Person des Klägers sei in diesem Falle zweitrangig gewesen, urteilten die BGH-Richter am Dienstag.
Knackpunkt des Verfahrens war nicht nur, ob das Persönlichkeitsrecht des Mannes oder das Interesse der Öffentlichkeit an dem Foto beziehungsweise die Pressefreiheit höher zu bewerten war. Vielmehr mussten die Richter auch entscheiden, ob der vom Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilte Terrorist auf eine Verfügung der OLG-Richter vertrauen durfte: Sie hatten 2008 vor der Urteilsverkündung angeordnet, dass Bilder des Mannes nur mit seiner Zustimmung und unkenntlich gemachtem Gesicht erscheinen durften.
Dem maßen die Richter aber nur wenig Bedeutung bei: Ungepixelte Aufnahmen wären in diesem Fall auch ohne seine Zustimmung erlaubt gewesen, urteilten sie. Die beklagte Axel Springer AG begrüßte das Urteil. Es gehe nicht an, dass "Strafrichter nach eigenem Ermessen über die Art und Weise entscheiden, wie zulässige Bildberichterstattung aus dem Gerichtssaal auszusehen hat". Die grundsätzliche Bedeutung des Falles sei von den Vorinstanzen verkannt worden, sagte Chefjustiziar Claas-Hendrik Soehring. Es sei eine "für die tägliche journalistische Praxis äußerst wichtigen Entscheidung des BGH".
Die "Bild"-Zeitung hatte sich über das Verbot des OLG hinweggesetzt und am Tag nach der Urteilsverkündung unter der Überschrift "Irak-Terroristen müssen für Attentatsplan ins Gefängnis!" ein Porträtfoto des Mannes veröffentlicht, auf dem sein Gesicht zu erkennen war. Der Mann hatte daraufhin geklagt und in den beiden Vorinstanzen recht bekommen. Deren Argumentation griff vor dem BGH auch Achim Krämer, Anwalt des Springer-Verlages, entschieden an. Keinesfalls dürfe ein vermeintlicher "Vertrauensschutz" vor einem Grundrecht wie der Pressefreiheit Vorrang haben.
Der rechtskräftig verurteilte islamistische Terrorist, Mitglied der Terrorgruppe "Ansar al-Islam", hatte unter anderem geplant, den früheren irakischen Ministerpräsidenten Ijad Allawi zu ermorden. Der Prozess gegen den Mann aus Augsburg und zwei Mitangeklagte hatte über zwei Jahre unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen stattgefunden und gilt als bedeutendstes Terrorverfahren der letzten Jahre.