

"Bild" gegen SPD Eine schmutzige Kampagne


"Bild"-Zeitungsausgabe vom 16. Februar 2018
So viel vorweg: Fehler geschehen, bei allen Medien, auch peinliche, auch bei SPIEGEL ONLINE.
Was der "Bild" mit der prominenten Veröffentlichung des angeblichen Mailwechsels von Juso-Chef Kevin Kühnert mit einem vermeintlichen russischen Einflussnehmer geschehen ist, war allerdings kein Fehler. Es war noch nicht einmal ein Versagen bei der Anwendung journalistischer Standards. Schließlich hat man ja, wie "Bild"-Chef Julian Reichelt nun anführt, bereits im ersten Artikel zum Thema darauf hingewiesen, dass Zweifel an der Echtheit der Mails bestünden. Und man habe nie behauptet, es handle sich um eine Kampagne von Kühnert, sondern um eine Kampagne gegen ihn. Fehler geschehen unabsichtlich. Bei "Bild" wurde, so schreibt es Reichelt selbst, ausführlich über die Veröffentlichung diskutiert - sie geschah zweifellos absichtlich.
Zwei Tage bevor "Titanic" sich damit brüstete, die "Bild"-Redaktion mit dem plump gefälschten Mailwechsel gefoppt zu haben, stellte "Bild" in großen Lettern und unter der Themenzeile "Experten werten Daten aus" die Frage: "Wer steckt hinter Mail-Kampagne gegen Juso-Chef?". Für die Antwort bedarf es allerdings keiner Datenexperten: Hinter der Kampagne steckt niemand anderes als die "Bild" selbst.
Eine Kampagne ist eine "gemeinschaftliche Aktion für oder gegen jemanden, bei der ideologische, politische Ziele im Vordergrund stehen" oder kurz ein "Feldzug", so definiert der Duden den Begriff - und wer in den letzten Tagen einen Blick in oder auch nur auf die "Bild"-Zeitung geworfen hat, konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Springer-Blatt genau so einen Feldzug betreibt: gegen die SPD.
Nicht, dass es den Sozialdemokraten (durchaus aus eigener Schuld) nicht schon dreckig genug ginge - bei "Bild" scheint man nicht ruhen zu wollen, bis die SPD vollends erledigt ist. Da wird aus der Umfragenfrage zum öffentlichen Umgang der SPD-Spitze untereinander ("anständig" oder "unanständig"?) kurzerhand die rigorose Schlagzeile: "64 Prozent finden die SPD unanständig". Da wird ein Mitgliedsantrag für einen Hund ausgefüllt und so getan, als könne dieses Tier die deutsche Regierungsbildung bestimmen, als sei der SPD-Mitgliederentscheid gar "gefährlich für die Demokratie". Die SPD müsse "die Sache stoppen. Auch wenn's weh tut."
Windiger geht es kaum
Ja, es tut langsam weh, dabei zusehen zu müssen, wie sich die "Bild" anstrengt, der SPD immer noch einen Tritt zu versetzen. Da kam dann offenbar das Angebot ganz recht, den Juso-Chef Kühnert der Kollaboration mit finsteren russischen Mächten zu überführen. Windiger konnte es kaum sein: Zur Fälschung eines E-Mail-Headers braucht man nur Grundkenntnisse des Mail-Protokolls, die Vorlage einer echten Mail und einen simplen Texteditor. Selbstverständlich wissen sie das auch bei "Bild". Und selbstverständlich konnte auch dort niemand ernsthaft glauben, dass Kühnert in Zeiten der US-Russland-Ermittlungen zu russischen Troll-Fabriken so doof sein könnte, auf ein schmutziges Angebot ausgerechnet aus St. Petersburg einzugehen und dabei noch einen eindeutigen Schriftwechsel zu hinterlassen.
Nein, man war bei Springer offensichtlich selbst nicht überzeugt von der Echtheit der Geschichte - und trotzdem brachte man sie auf der ersten Seite, wo nicht nur ein Käufer, sondern jeder Passant das Wesentliche schon im Vorbeigehen lesen kann, in diesem Fall eine Schlagzeile, die Kühnert und die SPD mit "brisanten Mails" und einem "Mann namens Juri" in Verbindung brachte. Hängen bleibt: Da stimmt schon wieder etwas nicht bei der SPD.
Die Rechtfertigung des seit Kurzem alleinigen "Bild"-Chefs Julian Reichelt, man habe sich erst zur Veröffentlichung entschlossen, nachdem die SPD eine Strafanzeige gegen Unbekannt angekündigt habe, weil erst diese Strafanzeige den ganzen Vorgang relevant und berichtenswert gemacht habe, ist eine dünne Schutzbehauptung. Der ganze Unsinn ist der SPD ja überhaupt erst von "Bild" zur Kenntnis gebracht worden. Und die Partei soll nun also ursächlich verantwortlich sein für diesen skandalösen Falschbericht, weil sie sich genötigt sah, angesichts einer drohenden "Bild"-Veröffentlichung juristisch zu reagieren? Das ist eine abenteuerliche Konstruktion der Realität.
"Bild" ist immer noch ein mächtiges Blatt mit einer Millionenauflage. Die Entscheidung, einen ganz offensichtlich hanebüchenen, laienhaft fabrizierten Manipulationsskandal auf die Titelseite zu heben und Zweifel daran erst am Ende des Artikels im Innenteil zu formulieren, hat die "Bild"-Chefredaktion bewusst gefällt. Reichelt musste wissen, dass die Posse erst damit eine Relevanz erhalten würde, die sie ohne "Bild" niemals gehabt hätte. Im Zweifel draufhauen: Mit dieser Haltung hat sich Reichelt als würdiger "Bild"-Chef erwiesen.