Black Panther Bobby Seale "Ich werde immer noch vom FBI überwacht"
SPIEGEL ONLINE: Mr. Seale, die meisten Menschen kennen Sie nur als Posterfigur mit schwarzem Barett und Pistole in der Hand. Eigentlich sehen Sie heute ganz friedlich aus...
Seale: Ich habe 12 Jahre lang an der Temple University in Philadelphia gearbeitet, gebe jährlich gut 60 Vorträge und habe selbst drei Kinder großgezogen. Da möchte ich nicht mehr unbedingt auf das Image des waffentragenden Revolutionärs festgelegt werden. Immerhin habe ich die Black Panther Party schon 1974 verlassen.
SPIEGEL ONLINE: Sie schreiben außerdem Barbecue-Bücher und treten als Fernsehkoch auf. Wie verträgt sich das mit den Idealen der Bürgerrechtsbewegung?
Seale: Der Profit geht an ein Projekt, das arbeitslosen Jugendlichen Renovierungs-Jobs im Ghetto verschafft. Als nächstes werde ich meine Kochsendungen auf DVD vermarkten. Das könnte den Grundstein dafür legen, um mit meinem Programm 5 bis 10 Millionen Jugendliche in ganz Amerika zu beschäftigen.
SPIEGEL ONLINE: Vor vierzig Jahren bezeichnete FBI-Chef J. Edgar Hoover Sie und Ihre Genossen als "größte Gefahr für Amerikas innere Sicherheit"...
Seale: Und wissen Sie was: Ich werde immer noch vom FBI überwacht. Nachdem ich die Herausgabe meiner FBI-Akten einklagte, fand ich es heraus: Sie haben genau Buch über meine Vorträge der letzten Jahre geführt. Da heißt es etwa, ich würde immer noch den bewaffneten Kampf propagieren. Dabei hatte ich lediglich auf die Frage eines Zuhörers erklärt, dass ich an Selbstverteidigung glaube, sollte mich irgendeine Macht gewaltsam an der Ausübung meiner Bürgerrechte hindern.
SPIEGEL ONLINE: Der schwarze Regisseur Mario Van Peebles brachte die Geschichte der Black Panthers 1995 mit dem Film "Panther" ins Kino, viele HipHop-Stars zitieren Black-Panther-Gesten und Aussprüche. Sind Sie im gesellschaftlichen Bewusstsein nicht längst rehabilitiert?
Seale: Oft kommen Jugendliche zu mir, die begeistert erzählen: "Mein Onkel war ein Black Panther", oder wahrscheinlicher: "Meine Tante hat mitgemacht." Immerhin waren unsere Mitglieder zu zwei Dritteln Frauen. Aber in den ersten zehn Jahren nach der Zerschlagung der Partei Ende der siebziger Jahre wollte niemand etwas mit uns zu tun haben. Die Leute fürchteten sich vor dem kriminellen und rassistischen Image, das die Medien von uns verbreitet hatten.
SPIEGEL ONLINE: Hatten Sie sich nicht ganz bewusst auf den aussichtslosen Kampf gegen die Übermacht der Mainstream-Medien und des FBI eingelassen?
Seale: Es war schmerzhaft zu sehen, wie wir in den Untergrund gezwungen wurden - obwohl wir nur unsere Verfassungsrechte in Anspruch nahmen: Wir eröffneten Hunderte von Schulküchen, testeten über eine Million armer Afroamerikaner kostenlos auf Sichelzellenanämie, boten Kleider und Hilfsdienste für Senioren an und machten unsere Zeitschrift "Black Panther" zur meistgelesenen Zeitung in den schwarzen Ghettos.
SPIEGEL ONLINE: Und was haben Sie mit Ihren Aktionen letztlich erreicht?
Seale: Unser Frühstücksprogramm für Schulkinder wurde ein Jahr später von Kalifornien und 28 anderen Staaten übernommen. Die medizinische Versorgung in den Ghettos wurde verbessert. Unsere größte Stärke aber war die Öffentlichkeitsarbeit. Im Sinne von gegenkultureller Kunst boten wir damals, was heute der HipHop leistet: Unsere Poster pflasterten nicht nur Straßenlaternen und Bauzäune sondern auch die Schlafzimmer der Schüler und Studenten, unsere Slogans sickerten in die Alltagssprache ein: Das wurde spätestens deutlich, als Richard Nixon Jahre später "Right On!" rief.
SPIEGEL ONLINE: Sind die "Black Panthers" inzwischen Teil der Popkultur geworden?
Seale: Damals ging es uns nicht um Popkultur, sondern um den Gebrauch von Kunst für politische Zwecke. Dennoch bin ich froh über jedes Black-Panther-Zitat: weil es junge Leute möglicherweise motiviert, zu recherchieren, was sie in der Schule nicht lernen. Wenn Menschen sich nicht mehr für ihre schwarze Hautfarbe schämen und einander respektvoll als Sister und Brother begegnen, dann ist etwas von unserer Arbeit geblieben.
SPIEGEL ONLINE: Der weiße Radiomoderator Don Imus ist kürzlich wegen der Beleidigung schwarzer Frauen als "Hoes" (Nutten) gefeuert worden. Nun gibt es in den USA eine Debatte, ob schwarze Rapper degradierende Worte wie "Ho", "Bitch" und "Nigger" weiterhin benutzen dürfen. Was meinen Sie dazu?
Seale: Das Problem ist, dass viele Rapper zu wenig Geschichtsunterricht hatten. So erging es mir selbst einmal: Ich verdiente als Raketenmechaniker bei der Army gutes Geld, studierte Design, hatte lauter erstklassige Noten - und wusste nichts über den Kampf meines Volkes. Dann stieß ich 1962 auf einen Straßenstand einer Gruppe, die sich "Afro-American Association" nannte. "Bobby", erklärten sie mir, "wir sind keine Negroes, wir sind nicht Farbige und auch keine Jigaboos. Wir sind Afroamerikaner oder schwarze Amerikaner, und wir sollten stolz darauf sein". Ich erinnerte mich an meine Jugend, als Schwarze im Theater nur hinten sitzen durften, das sind Erfahrungen, die den jungen Leuten heute fremd sind. Also begann ich zu lesen: Zehn, zwölf Bücher in zwei Wochen danach kündigte ich meinen Job bei der Armee und stand selbst an der Straßenecke.
SPIEGEL ONLINE: Viele afroamerikanische Entertainer haben die Ziele der Black Panther Party direkt oder indirekt unterstützt. Welche Rolle spielte damals die Musik?
Seale: Wir hatten Dichter und Komponisten in der Black Panther Party, die uns eigene Songs komponierten. Unsere parteieigene Band hieß angelehnt an Karl Marx "The Lumpen": Sie spielten Rhythm'n'Blues mit revolutionären Texten. Aber vergessen Sie nicht: Wir predigten nicht Schwarz gegen Weiß, sondern prangerten die amerikanische Klassengesellschaft an. Während der Parteisitzungen ließ ich Bob Dylans Songs laufen: "Something is happening/ but you dont know what it is/ do you Mr. Jones? "
SPIEGEL ONLINE: Was empfinden Sie, wenn Ihr Konterfei heute Poster, Postkarten und Badges schmückt?
Seale: Das erinnert mich an die Tage, als wir Zielscheiben der Polizei waren was manchmal durchaus auch seine komischen Seiten hatte: Ich hatte in der BPP eine Regel ausgegeben, dass niemand im Dienst Marihuana besitzen dürfe. Die Parteimitglieder aber erfanden ein Codewort, um nebenbei dennoch unbemerkt ein bisschen davon rauchen zu können: So hieß es bei einer Verabredung etwa "Bringst Du Brother Roogie mit?" und jeder wusste, was das bedeutete. Das FBI hatte unsere Telefone angezapft und stellte bald einen Fahndungsbefehl aus: Für ein offenbar sehr aktives Black Panther Mitglied namens "Brother Roogie".
SPIEGEL ONLINE: Ihr Humor scheint ganz im Gegensatz zum bedrohlichen Nimbus der Black Panthers zu stehen.
Seale: Oh, wir haben viel gelacht. Nach einer ernsten Parteisitzung habe ich oft eine Parodie zum Besten gegeben, und dabei alle möglichen Charaktere einschließlich John Wayne imitiert. Wir haben auch mit den Richtern und Gefängniswärtern unsere Späße getrieben. Ich kann mich erinnern, dass einige der nicht inhaftierten Panther mit Richterroben in den Gerichtssaal kamen. Wütend ordnete der Vorsitzende an, sie auszuziehen: Und was hatten sie darunter an? Polizeiuniformen! Selbst nachdem ich in der Zelle angekettet, in den Unterleib getreten und fast ohnmächtig gewürgt worden war: Unser Humor hat uns über vieles hinweg gerettet.
Das Interview führte Jonathan Fischer