"Blut-und-Boden-Reminiszenzen" Wagner-Urenkel protestiert gegen Mauerfall-"Lohengrin"

Gottfried Wagner (1997): 9. November ohne "deutsches Schwert"
Foto: Fabian_Matzerath/Claus_Felix/ picture-alliance / dpaHamburg/Köln - Der Urenkel des Komponisten Richard Wagner, Gottfried Wagner, wehrt sich gegen das musikalische Programm beim "Fest der Freiheit" zum Mauerfall-Jubiläum. Bei der Feier am 9. November am Brandenburger Tor werden Musiker der Staatskapelle Berlin unter Leitung von Daniel Barenboim Wagners "Lohengrin"-Vorspiel aufführen - neben Arnold Schönbergs "Ein Überlebender aus Warschau" über den von den Nazis niedergeschlagenen Aufstand im Warschauer Ghetto.
Mit der Entscheidung, "diese chauvinistische Kriegsaufputschmusik des militanten Antisemiten Wagner" ins Programm zu nehmen, werde die historische Bedeutung des 9. November verkannt und verhöhnt, heißt es in einer am Freitag in Köln veröffentlichten Stellungnahme des Musikwissenschaftlers. Der 9. November sei nicht nur das Datum des Mauerfalls, sondern auch der Pogromnacht (1938), bei dem Deutsche in einer Großaktion im Reich lebende Juden angegriffen und deren Besitz und Gotteshäuser beschädigt oder zerstört hatten.
Die Kombination der beiden Werke erfülle ihn "mit größtem Unbehagen", schreibt Gottfried Wagner. Das "Lohengrin"-Vorspiel sei "ganz eindeutig die musikalische Einstimmung auf die höchst chauvinistische 3. Szene, in der es um die kriegerische Vision eines deutschen Nationalstaates geht: 'Für deutsches Land das deutsche Schwert! So sei des Reiches Kraft bewährt!'"
Das Wunder des 9. November 1989 bestehe aber genau darin, dass dieser Tag friedlich - also ohne das "deutsche Schwert" - über die Bühne gegangen sei. "Aus diesem Grund ist die Lohengrin-Musik absolut unpassend." Auch rufe das Werk "Blut-und-Boden-Reminiszenzen hervor, an die man direkt vor der Aufführung von Schönbergs 'Ein Überlebender aus Warschau' lieber nicht rühren sollte."
Gottfried Wagner ist der Sohn von Wolfgang Wagner, dem langjährigen Leiter der Bayreuther Festspiele, und entstammt dessen erster, 1976 geschiedener Ehe. Er hat sich mit seinem Vater überworfen und in seinem Buch "Wer nicht mit dem Wolf heult" mit ihm abgerechnet.