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BMW Guggenheim Lab: Urbanes Weben

Foto: Sebastian Kahnert/ dpa

BMW Guggenheim Lab eröffnet Viel Ärger um eine Bastelecke

Darüber wurde so erbittert gestritten? In Berlin hat das BMW Guggenheim Lab eröffnet - und widerlegt sowohl seine Befürworter als auch seine Gegner, denn es ist erschreckend harmlos. Wo über Gentrifizierung debattiert werden soll, wird erst mal nur genäht und gewebt.

Ja, das Geld kommt von BMW. Nein, es hat überhaupt keine Einflussnahme auf das Programm gegeben. Gelassen geht Kuratorin Maria Nicanor auf die Fragen nach der Zusammenarbeit zwischen dem New Yorker Guggenheim Museum und dem Münchner Autohersteller BMW ein, die zu dem umstrittenen Projekt BMW Guggenheim Lab  geführt hat. Alles scheint gut zu sein, da beginnt "Lab Team"-Leiterin Rachel Smith, die für den Projektbereich Mobilität zuständig ist, zu schwärmen: Wie toll ihre Firma aecom, deren Logo sie auf ihrem pinkfarbenen Poloshirt trägt, schon seit Jahren mit BMW kooperiere.

Zu ihrem Glück übertönen in diesem Moment Pfiffe und Gejohle die unglücklichen Ausführungen. Eine kleine Gruppe von Demonstranten ist auf den Hinterhof des Pfefferbergs gekommen und zieht alle Aufmerksamkeit auf sich. Nach wochenlangem Gezerre um den Standort hat am Freitagnachmittag in Berlin-Prenzlauer Berg das BMW Guggenheim Lab eröffnet. Und nicht nur an diesem Nachmittag müssen die Organisatoren den Demonstranten eigentlich dankbar sein. Die Ernsthaftigkeit, mit der die Protestierenden gegen das mobile Labor zu Urbanität und urbanem Leben angehen, steht nämlich in keinem Verhältnis zu dessen intellektuellem Gehalt.

Aus Weinkorken Stempel machen, sich seinen eigenen Sattelschutz nähen, einen Teppich weben: Was unter dem Motto "Marathon of Making" am ersten Tag an den Ständen des Labs präsentiert wird, hat den hemdsärmeligen Charme eines Straßenfestes. Nur dass das Fest von der jedermann zugänglichen Straße in einen Hinterhof verlegt wurde, der ansonsten von Architekturbüros und Erlebnisgastronomie eingefasst ist.

Anleitung für den "Solar Coffee"

Was wurde nicht im Vorfeld über das Lab gestritten und geschrieben. Dass gewaltbereite Autonome das Projekt aus Kreuzberg vertrieben hätten. Dass dies ein Zeichen für die zunehmende Feindseligkeit der Berliner gegenüber dem Wandel der Stadt sei. Doch alle Kampfrhetorik erscheint vermessen angesichts des überschaubaren Elends, das das Lab geworden ist.

Bastelecken sind zwar nicht Hauptbestandteil des Programms, während der sechswöchigen Laufzeit sind über hundert kostenlose Vorträge, Workshops und Filmvorführungen geplant. Doch wenn die zweite "Lab Team"-Leiterin Corinne Rose als eines ihrer Projekte die Einrichtung eines Gemeinschaftsgartens samt Begleit-Blog vorstellt, muss man die Ernsthaftigkeit des Unterfangens grundsätzlich hinterfragen - schließlich hat Berlin mit dem Prinzessinnengarten  den berühmtesten Gemeinschaftsgarten des Landes.

"We don't need New York to teach us how to talk", steht denn auch passenderweise auf dem selbstgemalten T-Shirt einer Demonstrantin. "Wir Anwohner thematisieren seit 20 Jahren den Wandel im Kiez und in der Stadt", sagt Galina Green. "Wozu braucht es ein Lab, um solche Diskussionen zu führen?" Zusammen mit einer Hand voll von Menschen, die sich größtenteils im Anwohnerverein Leute am Teute engagieren, demonstriert sie. Die Sprüche auf ihren Schildern reichen von Maximalforderungen wie der Enteignung der BMW-Eigentümerfamilie Quandt bis hin zu kleinen Seitenhieben wie "Warum soll ich meinen Kaffee solarbetrieben rösten, wenn mir das Geld für die Miete fehlt?". Tatsächlich bietet das Lab einen Workshop namens "Making Solar Coffee" an, bei dem man "aus günstigen Haushaltsmaterialien", so das offizielle Programm, einen mit Sonnenenergie betriebenen Kaffeeröster bauen kann.

Aber ist diese Gentrifizierungskritik nicht etwas zu hoch gehängt angesichts des gebotenen Programms? Nein, sagt Galina Green: "Jeder Anlass ist ein guter Anlass, um über Mietwucher und Verdrängung zu sprechen."

Ähnlich pragmatisch geht Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit an das Lab heran. Im Vorfeld hatte er die Debatte und die Proteste "schändlich" genannt. Am Freitagnachmittag wandert der Stargast nun vom Tisch mit den 3D-Druckern zu einer gelben Pfostenkonstruktion, an der gelbe Wäscheleinen angebracht sind, an denen Besucher ihre Antworten zu der Frage "Was könntest du anderen beibringen?" aufhängen können. Er sagt der beachtlichen Zahl an Medienmitarbeitern, die ihn umlagern, dass Berlin weltoffen und innovativ sei. "Deshalb passt das Guggenheim Lab und die mit ihm verbundene Diskussion über die Zukunft der Städte besonders gut in unsere Stadt."

Über das Lab und seine Angebote kann man angesichts der Grabenkämpfe offensichtlich mit keiner Seite ernsthaft sprechen. Aber über einen Veranstaltungsort, der an diesem Samstag den Programmpunkt "Weekend Warriors: Freiluft Fitness mit Arne Schönwald" ankündigt ("Gemeinsam bauen wir das Lab, den Pfefferberg und die ganze Stadt zum Trainingsort um"), lässt sich vielleicht auch gar nicht ernsthaft sprechen.

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