Börne-Preis für Henryk M. Broder Vom Zwang, sich einzumischen

Das Internet ist, wie er sagt, sein Medium: Schnell und aktuell reagiert Henyrk M. Broder auf die spannenden Themen der Zeit, eckt an und provoziert mit ungeschminkten Wahrheiten. Jetzt erhält der Publizist und Polemiker, journalistische Welterzähler, SPIEGEL- und SPIEGEL-ONLINE-Autor den Ludwig-Börne-Preis.
Von Daniel Haas

Henryk M. Broder gehört zu den eminenten Publizisten des Landes; nicht nur zu den gewichtigen, sondern auch zu jenen, die tatsächlich gelesen werden. Seine Texte sorgen für Aufregung, das war schon 1986 so, als er der deutschen Linken antisemitische Ressentiments nachwies. Zuletzt überschlugen sich Beifall und Schelte für sein Buch "Hurra, wir kapitulieren!", das polemisch mit der Angst des Westens vor dem islamischen Fundamentalismus abrechnet.

Heute erhält der im polnischen Kattowitz geborene Autor den Ludwig-Börne-Preis, und naturgemäß war schon die bloße Ankündigung der Prämierung Broders einen mittleren Medienaufruhr wert.

Schweres rhetorisches Geschütz wurde aufgefahren, sogar von "Beleidigung des Humanismus" ("taz") war die Rede. Dass seine Gegner kräftig hinlangen, ist Broder allerdings gewohnt: Auf seiner Website  veröffentlicht er unter der Rubrik "Das meint der Leser" programmatisch die aktuellsten Zoten und Sottisen, mit denen man ihn bewirft.

Schneller lässt sich der grassierende Schwachsinn nicht bloßstellen, auch deshalb ist der Buchautor und Essayist, Verfasser von einem Dutzend Büchern und zahllosen Artikeln für den SPIEGEL, ein Mann des World Wide Web. "Das Internet ist für mich erfunden worden", sagte Broder unlängst im "Focus"-Interview. "Kurz, schnell, direkt ermöglicht es prompte Reaktion. Bei meiner Ungeduld und meinem Alter ein wichtiges Argument."

Alter - Broder ist Jahrgang 1946 - und Ungeduld: Man könnte auch Erfahrung und moralisches Pflichtgefühl sagen. Denn als Schriftsteller und Reporter hat Broder schon viele Kämpfe ausgefochten. Er trat (und tritt) gegen plumpe Antiamerikanisten ebenso an wie gegen "selbst berufene Deutschmeister des Trauerns" (eine Formulierung, die er in der Auseinandersetzung um Peter Eisenmans Berliner Holocaust-Mahnmal verwendete); knöpft sich islamische Fundamentalisten genauso vor wie die westlichen Appeasement-Strategen (auch eine Brodersche Wendung), die ihnen den Weg bereiten.

Zur dieser Erfahrung kommt der Zwang, sich einzumischen und auch dort noch Haltung zu bewahren, wo andere längst in Deckung gehen. Das Netz arbeitet diesem Sinn fürs Akute, dem Talent, schnell das Unerhörte aufzudecken und zu Gehör zu bringen, entgegen. Die zahlreichen Artikel auf SPIEGEL ONLINE, ob scharfe TV-Kritik oder erhellende Reisereportage - legen auf spannende Weise Zeugnis davon ab.

Der Börne-Preis wurde Broder von "Focus"-Chef Helmut Markwort als alleinigem Juror zugesprochen. "Broder ist ein Ludwig Börne von heute", schrieb er in seiner Begründung, "ein freier Geist, der leidenschaftlich und feurig schreibt, oft polemisch und ohne Rücksicht auf political correctness, aber immer unabhängig und überraschend".

In dem "zunehmend mit einer Stimme sprechenden Medienkomplex" habe Broder sich "als eigene, unverkennbare Stimme" behauptet, schrieb die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". In der Paulskirche, wo Broder heute seine Dankesrede hält, wird sie zu hören sein. Und natürlich gedruckt, auf Buch- und Magazinseiten - und im Netz, wo sie nur einen Klick weit entfernt immer wieder für Aufregung und Klarheit sorgt.

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