Britney bei Bio Unheimliche Begegnung
Na gut, man hat ja nicht alle Tage einen Superstar in der Sendung. So zeigte sich Talk-Veteran Alfred Biolek, 65, auf seine alten Tage sichtlich nervös, als er wie gewohnt händereibend seine Gäste vorstellte: Jürgen Flimm, zwei Mitglieder des "Clubs der polnischen Versager", Uschi Glas und... Britney Spears! Der 20-jährige Teenager-Star ("Baby, One More Time") war auf kurzer Deutschlandreise und man hatte sich ausgerechnet die zahnloseste (von "Fliege" einmal abgesehen) Show im deutschen Fernsehen ausgepickt: "Boulevard Bio". Pop-Prinzessin Britney, so raunte man spöttisch im Vorwege der TV-Appearance, wolle sich wohl auch den Eltern ihrer zumeist minderjährigen Fans vorstellen. Was könnte dafür besser geeignet sein, als Bios gemächliches Kaffeekränzchen im Ersten.
Die Spears gab sich dann auch so perfekt als Personifikation des netten Mädchens von nebenan, dass sich später sogar die erfahrene Uschi Glas erstaunt zeigte. So "bescheiden und schüchtern" habe man sich die ja nun gar nicht vorgestellt. Voilà, der Traum aller ödipalen Schwiegermütter! Tatsächlich: Im Schwätzchen zwischen Bio und Britney schlug man sich als Zuschauer schnell auf die Seite der erfolgreichen Sängerin, die sich über Bioleks ausschweifende Gestik und gewundenen Formulierungen sichtlich und unterhaltsam amüsierte, ansonsten aber brav und angenehm unprätentiös Rede und Antwort stand.
Viel zu fürchten hatte sie aber auch nicht von dem komischen alten Mann ihr gegenüber, der sich neugierig nach Altbekanntem wie verkauften CDs, Boyfriend Justin Timberlake und den neuesten Filmplänen erkundigte, fast so, als hätte Britney Spears noch nie zuvor ein Interview im deutschsprachigen Raum gegeben. Von inhaltlicher Vorbereitung und nachhaltiger Beschäftigung mit dem Phänomen Spears konnte also - trotz eifrig konsultierter Spick-Kärtchen - keine Rede sein. Trotzdem begegnete Bio seinem prominenten Gast mit der Faszination und Gönnerhaftigkeit eines älteren Herren, der meint, mit einem kleinen Kind oder einem soeben gelandeten Marsmenschen zu reden - statt mit einer Person, die in ihrer inzwischen fast siebenjährigen Karriere vermutlich mehr Härten des Showgeschäfts erfahren hat, als Bio zwischen Bahnhof und Boulevard.
Was man zu sehen bekam, war also ein zielgruppengerechter, aber unfreiwillig komischer Grundkurs Britney: Man erfuhr noch einmal, wie viele Platten Miss Spears in drei Jahren verkauft hat (45 Millionen), wann sie ihre Karriere startete (mit 13) und wann sie Justin kennen lernte (mit 12). Man lernte außerdem, dass Britneys Mama selbstredend keine tyrannische "Eislaufmutter" sei ("Nooo!") und konnte sich beruhigt im Sofa zurücklehnen, als Britney artig bestätigte, dass sie ihren Spitzenplatz im Pop-Olymp durchaus mit Madonna teilen würde. Ach so...
Nach knapp 20 Minuten mehr oder minder verkrampfter Plänkelei und Grimassenschneiderei auf beiden Seiten (Bio: gequält und befremdet, Britney: belustigt und befremdet) war dann Schluss, weil Britney - klar, nachts um halb zwölf - "schon wieder zum nächsten Termin" müsse, wie Biolek mit verlegenem Lächeln verkündete. Aber egal, zu sagen hatte man sich ohnehin nichts und Biolek fühlte sich mit Uschi Glas - zurück auf vertrautem Terrain - auch gleich merklich besser.
Ach ja, zum müden Motto der Sendung ("Nobody is perfect") wurde Britney natürlich auch befragt. Ob sie denn auch Macken hätte, fragte Bio und bekam die Antwort mit einem entzückenden Strahlelächeln serviert: "Oh, ja klar: Ich kaue an meinen Fingernägeln und esse viel zu viel Eiscreme!" Deutsche TV-Flachheit, professionell vorgeführt. Respekt, Miss Spears...