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Protest in Eicken: Islamschule unerwünscht

Foto: Henryk M. Broder

Bürgerprotest gegen Islamschule Als käme der Leibhaftige in die Stadt

Der obskure Verein eines ultrakonservativen Islam-Konvertiten will in Mönchengladbach eine Schule eröffnen. Die Politik sieht zu, obwohl der Verfassungschutz die Gruppe beobachtet. Bürger leben in "Panik, Angst und Schrecken" - und organisieren den Protest.
Von Henryk M. Broder

Mönchengladbach, so steht es im Guinness-Buch der Rekorde, ist die einzige Stadt in Europa, die zwei Hauptbahnhöfe hat, einen in Mönchengladbach und einen in Rheydt. Die beiden Gemeinden wurde im Zuge der Gebietsreform in den siebziger Jahren zusammengelegt, die Bahnhöfe behielten ihre Namen. Demnächst könnte Mönchengladbach noch einen Eintrag im Guinness-Buch bekommen: Als die einzige Stadt in Deutschland, deren Bürger den Bau einer Islamschule verhindert haben.

Während das ganze Land nach Stuttgart schaut, wo eine Bürgerinitiative gegen den Bau des neuen Hauptbahnhofs mobil macht, bahnt sich in Mönchengladbach etwas Ähnliches an. Zwar ist das Objekt der Ablehnung viel kleiner, aber die Emotionen, die es hervorruft, sind durchaus vergleichbar.

"Ich mache so etwas zum ersten Mal", sagt Manuela Buhse, und man merkt ihrer Stimme an, dass sie die Wahrheit sagt. Sie hat noch nie vor 300 Menschen gesprochen. So viele kommen in der Mehrzweckhalle am Eickener Markt sonst nur zusammen, wenn die Karnevalsgesellschaft "Hau Ruck e.V." ein Fest feiert. Aber an diesem Freitagabend gibt es kein Altweibertreffen und keine Herrensitzung, es findet eine Art Vollversammlung statt. "Eickener Bürgerinnen und Bürger" wollen darüber reden und beraten, was sie gegen die "Einrichtung der Islamschule des Vereins 'Einladung zum Paradies'" unternehmen können.

Anarchie pur

Die soll mitten im Ortsteil Eicken residieren, keine 100 Meter von der Mehrzweckhalle entfernt. In einer "Eickener Erklärung", die von den Initiatoren der Versammlung vorbereitet wurde, heißt es: "Wir wehren uns friedlich gegen demokratiefeindliche, grundgesetzverletztende und menschenverachtende Bestrebungen in unserem Viertel. Wir wollen Nachbarn, denen wir offen ins Gesicht sehen können, die mit uns aktiv eine freiheitlich demokratische Gesellschaft gleichberechtigter Menschen mitgestalten. Wir wollen Nachbarn, die als Christen, Muslime, Juden, Buddhisten, Hinduisten, Nicht-Gläubige oder welcher Religionszugehörigkeit auch immer ein Zusammenleben in Respekt und Frieden suchen."

Es gibt in Mönchengladbach über 80 christliche Gemeinden, neun Moscheen (darunter eine mit einem Minarett), drei Freimaurerlogen, mindestens zwei buddhistische Gemeinschaften (Jodo Shinshu und die alternativen Buddhist Punks Germany), zwei Versammlungen der Zeugen Jehovas und eine jüdische Gemeinde. Und noch nie haben Mönchengladbacher Bürger gegen die Einrichtung einer religiösen Einrichtung protestiert. Das tun sie jetzt mit einer Heftigkeit, als käme der Leibhaftige in die Stadt.

Die Versammlung in der Mehrzweckhalle von Eicken hat keine Tagesordnung, sie ist Anarchie pur. Wer etwas sagen möchte, hebt die Hand, steht auf und spricht. Ginge es um ein AKW, das gebaut werden soll oder eine Müllverbrennungsanlage, könnte man das "zivilgesellschaftliche Engagement" der Bürgerinnen und Bürgerinnen als vorbildlich bezeichnen.

"Seit zwei Wochen leben wir in Panik"

Aber es geht um eine Islamschule, Thilo Sarrazin macht gerade Schlagzeilen, und deswegen sagt jeder, der das Wort ergreift, als erstes, er habe nichts gegen Muslime, nichts gegen eine Moschee, nur in diesem Fall gehe es um etwas anderes. "Seit zwei Wochen leben wir in Panik, Angst und Schrecken", ruft Wilfried Schulz, gelernter Jurist und studierter Theologe ohne Ordination, in den Saal, "und die Politiker lassen uns allein!" Der Düsseldorfer Integrationsminister sei zum Fastenbrechen nach Mönchengladbach gekommen, "wogegen nichts einzuwenden ist", aber: "Heute ist er nicht da!" Schulz verwahrt sich gegen "Trittbrettfahrer, die wir nicht haben wollen", die Leute von Pro Köln und Pro NRW, und er schlägt eine Demo zum Alten Markt im Zentrum von Mönchengladbach vor, "weil die Sache nicht nur die Einwohner von Eicken angeht". Ein Mann meldet sich und sagt: "Wir sind das Volk!", eine Frau, die sich als Heilpraktikerin vorstellt, berichtet von Patienten, die sich nicht mehr in ihre Praxis trauen, weil sie Angst vor den Islamisten auf der Straße haben.

"Urdeutsche Konvertiten"

Die politische Klasse ist an diesem Abend durch den Landtagsabgeordneten Hans-Willi Körfges, SPD, vertreten. Er bezieht Stellung. Einerseits: "Wir in Düsseldorf teilen ihre Befürchtungen und ihre Sorgen. Extremisten stellen eine Gefahr für den Dialog der Religionen dar." Andererseits: "Auch diejenigen, die den Rechtsstaat ablehnen, stehen unter dem Schutz des Rechtsstaates." Immerhin verspricht er, "Ihr Anliegen nach Düsseldorf mitzunehmen und es dort zu platzieren". Das sei nicht genug, erwidert Wilfried Schulz, "das ist die übliche Beruhigungslitanei der Politiker, man muss sie zum Jagen tragen!"

So einen Vorwurf mag der Bezirksvorsteher von Mönchengladbach-Nord nicht hinnehmen. "Ich stehe den Bürgern zur Verfügung." Reinhold Schiffers ist auch Sozialdemokrat, von Beruf ist er Lehrer, Direktor des Weiterbildungskollegs Mönchengladbach, viele seiner Schüler haben einen Migrationshintergrund und einige haben sich in der letzten Zeit radikalisiert. "Sie sagen, dass sie einen Gebetsraum haben möchten."

Die Vorsitzende des Integrationsrates von Mönchengladbach, Gülistan Yüksel, erläutert, sie sei zuerst im Urlaub und dann krank gewesen und habe sich deswegen um die Sache nicht kümmern können. Außerdem sei sie ehrenamtlich tätig. "Wir als Integrationsrat wollen das friedliche Miteinander und den Dialog der Religionen." Freilich müsse man auch "die Ängste der Menschen ernst nehmen". Nach der Versammlung sagt sie, die Bürgerinitiative würde "Öl ins Feuer gießen". Dann geht sie heim, während die Einwohner von Eicken in kleinen Gruppen ratlos weiter diskutieren. Einer sagt: "Wie kann so etwas passieren? Was haben wir für Behörden, die nicht wissen, was sich hier tut?"

Eine berechtigte Frage, man könnte sie aber auch an die Adresse der Eickener richten. Seit etwa fünf Jahren wird das Haus in der Eickener Str. Nr. 164 als Moschee benutzt. Über dem Seiteneingang steht: "Islamisches Kulturzentrum - Masjid As-Sunnah". Direkt vor dem Haus, an der Station Eickener Höhe, halten die Busse der Linien 2, 3 und 33. "Ich habe jeden Tag gesehen, wer da ein- und ausgeht", sagt Heinz Steffens, der gleich nebenan eine Anwaltskanzlei betreibt, "es waren vor allem bärtige junge Männer in traditioneller Kleidung und viele voll verschleierte Frauen", keine Muslime mit Migrationshintergrund, sondern "urdeutsche Konvertiten", wie es Wilfried Schultz sagt. "Die sahen abenteuerlich aus, haben sich aber sonst ganz normal benommen".

Niemand fiel auf, dass es für den ehemaligen Lebensmittelladen keine Nutzungsgenehmigung als Moschee gab. Das Haus mit der inzwischen verfallenen Tankstelle nebenan gehörte früher einer Familie in Mönchengladbach, hat mehrfach den Besitzer gewechselt und soll heute einer Immobilienfirma in Düsseldorf gehören. "Es hat keiner ins Grundbuch geschaut."

Die Alarmglocken fingen erst an zu läuten, als Ende Juli zufällig bekannt wurde, dass ein islamischer Verein mit dem Namen "Einladung zum Paradies" im Begriff sei, von Braunschweig nach Mönchengladbach zu ziehen, um dort in Haus der Masjid As-Sunnah-Moschee eine "Islamschule" aufzumachen. Es gab eine Meldung auf der Homepage des niedersächsischen Verfassungsschutzes, die unbemerkt geblieben wäre, wenn nicht Journalisten bei der Pressestelle der Stadtverwaltung angerufen und angefragt hätten. "Bild", dpa und die "Rheinische Post" nahmen sich der Sache an. Dann dauerte es nur ein paar Tage, bis in Eicken die Erde bebte.

Wie Hape Kerkeling, der einen Islamisten spielt

Eine Recherche ergab, dass der eingetragene Verein "Einladung zum Paradies" (EzP) bereits einen Kaufvertrag mit der Düsseldorfer Immobilienfirma abgeschlossen hatte; dass die vertraglich vereinbarten Umbauarbeiten bereits begonnen hatten, war noch einfacher festzustellen. Die Stadt reagierte umgehend und sprach ein Nutzungsverbot und einen Baustopp aus. Damit ist der Kaufvertrag "schwebend unwirksam", sagt Wilfried Schultz, "aber sobald der Käufer die Auflagen erfüllt, wird die Umbaugenehmigung erteilt werden".

So blieb den Eickenern Zeit, sich darüber kundig zu machen, wer ihnen ins Haus steht: Ein obskurer Verein, der vom Verfassungsschutz (bisher folgenlos) beobachtet wird und der seine Anhänger vorwiegend im Konvertiten-Milieu rekrutiert, also unter denjenigen, die, kaum dass sie auf einen Zug gesprungen sind, sofort damit anfangen, Schaffner zu spielen.

Jeder Eickener dürfte inzwischen eines der vielen Videos angeklickt haben, die auf YouTube und der Homepage des Vereins zu sehen sind. Der EzP-Chefprediger Abu Hamza war einmal Profiboxer und hieß Pierre Vogel, bevor er zum Islam konvertierte. Nun erklärt er in breitestem Rheinisch, warum der Islam die beste aller Religionen ist, gibt im Video "Scheidungsgründe" Verhaltenshinweise für die gute muslimische Ehefrau und stellt seine Zuhörer vor die Alternative, entweder gleich oder später zum Islam zu konvertieren, wenn sie ihre Seelen retten und nicht in der Hölle schmoren wollen.

Pierre Vogel alias Abu Hamza wirkt wie ein Komiker, wie Hape Kerkeling, der einen Islamisten spielt, aber er meint es ernst. Und er ist gut vernetzt, hält fast täglich irgendwo einen Vortrag und hat offenbar genug Geld zur Verfügung, um für eine Mini-Gemeinde eine Immobilie kaufen und umbauen zu können. "Einladung zum Paradies" ist das Etikett, hinter dem deutschstämmige Islamisten Seelenfang betreiben, es reicht ihnen nicht, den "wahren Glauben" gefunden zu haben, sie wollen auch andere auf die Reise mitnehmen. Und wenn die Eickener wüssten, was der Name "Abu Hamza" bedeutet, wären sie noch besorgter: "Vater von Hamza". Hamza war ein Onkel des Propheten und als "der Löwe von Mekka" bekannt, da er gerne Löwen jagte und in den frühen Kriegen viele Islamgegner getötet hatte. Darunter auch den Ehemann, den Bruder und den Vater einer Frau in Mekka, worauf diese einen Profikiller anheuerte, der Hamza tötete.

Die Eickener wissen, dass sie rechtlich keine Handhabe haben und die Einrichtung der Islamschule nur verzögern, aber nicht dauerhaft verhindern können. "Warum wir? Warum Mönchengladbach?" fragen sie sich, als wäre ihre Stadt von einem Tsunami erwischt worden. Nun muss sich zeigen, wer den längeren Atem hat: Abu Hamza, der unterwegs zum Paradies in Mönchengladbach Station machen möchte oder die Eickener, die eher irdischen Freuden zugeneigt sind und gerne in der Mehrzweckhalle Feste feiern.

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