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USA: Streit um Konföderierten-Statuen

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Umstrittene Statue in Charlottesville Wer war Robert E. Lee?

Trump-Amerika gegen College-Amerika: In Charlottesville eskalierte ein Konflikt, der schon lange schwelt - Anlass für die ultrarechte Demonstration war eine Diskussion um die Statue eines Generals. Was steckt dahinter?
Zur Person
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Martin Klepper, 53, ist seit 2007 Professor für amerikanische Literatur und Kultur an der Humboldt-Universität zu Berlin. Dort forscht er zu narrativen Identitäten, Visualität und Populärkultur. Seit einem Schüleraustausch mit 17 Jahren ist er zugleich fasziniert und entsetzt von den USA.

SPIEGEL ONLINE: Herr Klepper, Anlass für die ultrarechten Proteste in Charlottesville war die Diskussion um eine Statue von Robert E. Lee; die Demonstranten gingen auf die Straße, weil die Stadtverwaltung die Figur entfernen lassen wollte. Wer war Lee?

Klepper: Lee war ursprünglich General in der amerikanischen Armee, hat im Mexikanisch-Amerikanischen Krieg mitgekämpft und auch in West Point, einer der renommiertesten Militärakademien der USA, unterrichtet. Da er aus Virginia stammte, trat er in die Armee der Konföderierten ein, wurde General und letztlich Oberbefehlshaber.

SPIEGEL ONLINE: Wie wurde er zur Identifikationsfigur für ultrarechte Nationalisten?

Klepper: Lee, der selbst Sklaven hielt, eignete sich im Bürgerkrieg einen legendären Ruf an, weil er viele Schlachten gewann, die aussichtslos schienen, und wurde deshalb zum Helden stilisiert. Daher eignet er sich als Vorbild für Leute, die immer noch den Konföderierten nachweinen.

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USA: Streit um Konföderierten-Statuen

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SPIEGEL ONLINE: Lee kämpfte auch unter der Konföderierten-Flagge, die heute als rassistisches Symbol gilt.

Klepper: Die Flagge tragen Ku-Klux-Klan-Anhänger gerne, sie ist ein Symbol dafür, dass man den Ausgang des Bürgerkriegs im Grunde nicht anerkennt und das Verbrechen der Sklaverei ebenso wenig. In der Geschichte der USA ist die Flagge deshalb immer eine Provokation für alle gewesen, die sich gegen Rassismus, gegen die Diskriminierung von Afroamerikanern und gegen Jim-Crow-Gesetze einsetzen.

SPIEGEL ONLINE: Was sind die Jim-Crow-Gesetze?

Klepper: Jim Crow war der Spitzname von Thomas Rice, einem Weißen, der im 19. Jahrhundert auf der Bühne mit blackface stereotype Afroamerikaner spielte. In Anlehnung an diesen Rassismus wurden Gesetze, die Afroamerikaner aus der Politik drängten, Jim-Crow-Gesetze genannt: Nach dem Bürgerkrieg 1865 waren die Südstaaten von den Nordstaaten besetzt. Viele Afroamerikaner bekamen das Wahlrecht und stellten auch Politiker. Durch die Wirtschaftskrise von 1873 kamen aber die Demokraten wieder an die Macht, also diejenigen, die auf Südstaatenseite standen. Sie drehten alle Erfolge der Gleichstellung zurück.

SPIEGEL ONLINE: Wie sah die Diskriminierung durch diese Gesetze konkret aus?

Klepper: Zum Beispiel dürfte laut Gesetz nur der wählen, der lesen und schreiben konnte und ein bestimmtes Einkommen hatte. Außerdem durften Afroamerikaner bestimmte öffentliche Gebäude, Parks und Busse nicht mehr nutzen.

SPIEGEL ONLINE: Welche Geschichte haben Sklaverei und Rassismus speziell in Virginia?

Klepper: Virginia ist bedeutsam, weil es zu den 13 Gründungskolonien der USA gehört. In Jamestown wurde 1607 die erste dauerhafte Siedlung von weißen Engländern gegründet, somit ist Virginia untrennbar mit dem Geburtsmythos der Vereinigten Staaten verbunden. Im Süden des Staates gab es viele Plantagen - am Anfang vor allem Tabakplantagen, auf denen Sklaven arbeiten mussten.

SPIEGEL ONLINE: Welche Rolle spielte Virginia im Bürgerkrieg?

Klepper: Zu Beginn des Bürgerkriegs spaltete sich West Virginia ab, eben weil dort eine Mehrheit gegen Sklaverei war. Der Staat stand so im Kleinen für die ganze Tragik des Konflikts zwischen Nord und Süd. Virginia ist heute ein Swing State, der zwischen republikanischer und demokratischer Führung schwankt. Die Gewalt in Charlottesville eskalierte auch deshalb, weil hier Trump-Amerika und das liberale College-Amerika unmittelbar aufeinandertreffen. Aber schon früher war Virginia stark gespalten.

SPIEGEL ONLINE: Ist diese Art der Gewalt in Charlottesville, wo Rassisten gegen liberale Demonstranten kämpften, neu?

Klepper: Wenn man die Gewalt gegen Afroamerikaner, also Polizeigewalt, die nicht erst seit Ferguson durch die Presse geht, einbezieht, dann ist diese Auseinandersetzung über ethnische Fragen, African Americans vs. White America, schon immer latent gewalttätig. Nur wurde der Konflikt bisher unter einer Decke amerikanischer Einzigartigkeit - wir sind das großartigste Land der Welt - versteckt, zumindest von den Weißen wurde es kaum angesprochen, von Afroamerikanern natürlich schon die ganze Zeit. Das ändert sich jetzt.

SPIEGEL ONLINE: Spielt Donald Trump und seine Politik auch eine Rolle bei dieser Eskalation?

Klepper: Durch Trump ist es salonfähig geworden, sich als jemand zu outen, der für "White Supremacy" steht. Die zögerliche Reaktion Trumps ist bezeichnend, er hat ja genau solche Leute klar umworben.

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