Chinas Werbung für die "Neue Seidenstraße" Ganz große Propaganda

Güterzug in Wuhan nach der Ankunft aus Hamburg
Foto: REUTERS/ China Daily11.000 Kilometer muss ein Güterzug zurücklegen, um von Mannheim zum Hafen von Guoyuan in China zu gelangen. Bevor er dort ankommt, geht es noch durch Polen, Russland und Kasachstan.
Wenn es nach der chinesischen Regierung geht, sollen in Zukunft noch mehr Güterzüge diese Strecke auf sich nehmen - als Teil des Infrastrukturprojekts der "Neuen Seidenstraße". Das werde die Regionen um den Fluss Yangtze und den Rhein stärken, verkündet Peking. Und: Eine verbesserte Kooperation mit Deutschland in den Bereichen Logistik, Handel und Herstellung.
Nachzulesen ist das auf dem "Silk Road Information Service", über den Chinas staatliche Nachrichtenagentur Xinhua zum derzeit wichtigsten Prestigeprojekt der Kommunistischen Partei in Peking informiert, für das etwa 900 Milliarden Dollar zur Verfügung stehen und das Handelswege bis nach Duisburg und noch weiter ermöglichen soll.

Mehrere Neuigkeiten zur "Neuen Seidenstraße" vermeldet Xinhua über den Dienst jeden Tag. Etwa diese: An westliche Länder soll noch mehr Geld der Initiative aufgewendet werden als ursprünglich geplant. Außerdem: Die Windenergie-Bilanz in der Region Ningxia in China ist auf einen neuen Rekord gestiegen und die Volksrepublik ist weiterhin der größte Handelspartner für Usbekistan. Eine Erfolgsmeldung folgt der anderen.
Über den Staatsnachrichten aus China, verfasst in englischer Sprache, prangt neben dem Xinhua-Logo noch ein weiteres: das der dpa-Plattform. Die größte deutsche Nachrichtenagentur hat sich als technischer Dienstleister anheuern lassen und schaltet die Seidenstraßen-Meldungen auf Wunsch ihrer Kunden für diese frei. Ein Hinweis, dass es sich um Staatspropaganda handelt, sei nicht nötig, heißt es auf Nachfrage: "Die Plattform bedient einen professionellen B-to-B-Markt, in dem bekannt ist, wie die Nachrichtenagentur Xinhua organisiert ist", antwortet dpa-Pressesprecher Jens Petersen.

Auswirkungen auf die eigene China-Berichterstattung habe die Handelsbeziehung nach Peking nicht, sagt Petersen weiter. "Beim 'Xinhua Silk Road Information Service' handelt es sich um ein reines Handelsprodukt, das in keinem Zusammenhang mit der dpa-Berichterstattung aus oder über China oder zu anderen Themen steht." Die "umfassende und kritische" Berichterstattung zu China stehe "außer Frage".
Als problematisch bewertet Thorsten Benner vom Global Public Policy Institute (GPPi) in Berlin die Geschäftsbeziehung dennoch. "Jedes westliche Medienunternehmen, das den Anspruch hat, unabhängigen Journalismus zu machen, kann seine Marke nicht chinesischen Propagandamedien zur Verfügung stellen", sagt er. "Das ist nicht vereinbar mit dem eigenen Anspruch an Journalismus und Glaubwürdigkeit."
Eher skeptisch gegenüber chinesischen Selbstbelobigungen
Schon in der Vergangenheit hatte es Kritik an chinesischer Propaganda unter dem Dach großer Medienmarken gegeben: Die Artikelseiten der "China Watch" lagen seriösen Zeitungen als sogenanntes paid supplement, einer Art Werbebroschüre, bei, etwa der "Washington Post". "China Watch" ist ein direkter Ableger von "China Daily", der staatlichen englischsprachigen Zeitung mit Sitz in Peking. Die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) hatte darüberhinaus 2016 eine Anzeige gedruckt, die aus Xinhua-Artikeln bestand und chinesische Sportler pries (mehr dazu lesen Sie hier). Die SZ veröffentlicht die Beilage "China Watch" inzwischen nicht mehr.
Auch das Mercator Institute for China Studies (Merics) in Berlin kommt in seiner Studie "Authoritarian Advance" zu dem Ergebnis, dass die öffentliche Meinung zu China vor allem unter dem Markendach etablierter Medienmarken beeinflusst werden soll. China sei aktiv dabei, "die weltweite Wahrnehmung von Chinas politischem und wirtschaftlichem System zu verbessern und es als tragfähige Alternative zur liberalen Demokratie zu positionieren", zitiert die Deutsche Welle aus der Studie.
Dabei sind die Leser westlicher Medien generell eher skeptisch gegenüber chinesischen Selbstbelobigungen: "In Frankreich, Deutschland und Großbritannien ist es sehr schwierig für die KP, das Chinabild zu dominieren", sagt Benner. "Hier gibt es viele unabhängige Stimmen. Thinktanks, Forscher und die meisten Journalisten berichten sehr kritisch und differenziert über China." Nichtsdestotrotz versuche Peking auch hierzulande, Journalisten und Wissenschaftler zu überzeugen, eine "positive Chinageschichte" zu erzählen, wie es Präsident Xi Jinping beim letzten Volkskongress als Ziel ausgegeben hat.
Das Projekt der "Neuen Seidenstraße" soll dabei helfen. Nicht nur die Unternehmen, die sich dadurch ganz neue Geschäftsmöglichkeiten mit der zweitstärksten Volkswirtschaft der Welt versprechen, loben die Initiative. Es gibt auch prominente Fürsprecher wie etwa Altkanzler Gerhard Schröder: "Ich bin überzeugt, dass besonders Chinas 'Neue Seidenstraße' Menschen und Wirtschaften Asiens und Europas noch näher zusammenbringt", sagte er beim diesjährigen "Hamburg Summit".
Unternehmen wie das britische Bankhaus HSBC übernehmen mitunter die Geschichtsschreibung. So schaltete die Bank auf der Onlineseite der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" eine ganze Artikelserie zum Thema "Neue Seidenstraße" frei.

Das Bekenntnis zur "Neuen Seidenstraße" ist vor allem eine große Propagandashow. Das Thema eignet sich, da es in der Öffentlichkeit nicht verknüpft ist mit kritischen Punkten wie der Menschenrechtslage in China. Ebenso werden negative Effekte der Infrastrukturinitiative ausgeblendet - etwa, dass sich arme Staaten dadurch bereits tief bei den chinesischen Geldgebern verschuldet haben. So musste Sri Lanka deshalb einen gebauten Hafen an Peking verpachten.
Das Vermitteln durchweg positiver Bilder ist charakteristisch für die chinesische Informationsstrategie, die sich damit etwa von der russischen unterscheidet. "Der Kreml möchte eher Verwirrung stiften oder gesellschaftliche Gräben noch tiefer machen, das hat man etwa im Fall Lisa in Deutschland gesehen", sagt Benner. Die chinesische Regierung hingegen arbeitetet nicht mit Desinformation. Ihr gehe es vor allem darum, eine positive Attitüde gegenüber China zu schaffen.
Ein Szenario, das Benner befürchtet: China könnte sich direkt in die Medienbranche einkaufen. "Dem muss per Gesetz ein Riegel vorgeschoben werden", fordert er. Bislang gibt es entsprechende Regelungen nicht.
Xi versprach gerade erst bei seinem Besuch in Lateinamerika, dass sich China wirtschaftlich noch weiter öffnen möchte - künftig solle geistiges Eigentum in dem Land noch besser geschützt werden. Noch mehr gute Nachrichten.