Christian Wulffs (fiktive) Antrittsrede "Superman wirkt auch eher spießig"
Liebe Mitbürger und Mitbürgerinnen, jeder, wirklich jeder, kann es ganz nach oben schaffen, das ist das Risiko einer Demokratie, und ich bin der beste Beweis dafür. Wer hätte noch vor wenigen Wochen gedacht, dass ich heute hier sitzen müsste? Ich sicher nicht. Ich weiß, dass auch viele von Ihnen Zweifel haben, ob ich der richtige Mann bin, schon gar für diese Aufgabe. Andererseits, von Walter Scheel ist "Hoch auf dem gelben Wagen" geblieben, von Karl Carstens das Wandern, von Roman Herzog der "Ruck" und die Kochbücher seiner ersten Frau. Irgendwas in dieser Art können Sie getrost auch mir zutrauen. Meine Frau ist schon intensiv auf der Suche nach einem populären Hobby für mich.
Natürlich, ich bin noch recht jung für dieses Amt, aber ich kann Ihnen versichern, ich bin erst relativ spät jung geworden. In meiner Jugend war ich eher alt. Ich trug Anzüge und die Taschen meiner Lehrer, als Gleichaltrige noch mit Ausflippen beschäftigt waren. Aber ich bin Niedersachse und Rechtsanwalt, deswegen habe ich meine wilde Phase später gewissenhaft nachgeholt. Ich kenne die Scorpions persönlich, mehr muss ich dazu wohl nicht sagen. Ich habe sogar eine Platte von denen, mit Widmung. Und Veronica Ferres kenne ich auch.
Apropos Frauen. Dass die First Lady schon meine Second Lady ist, um es mal flapsig zu formulieren, zeigt erstens, dass Humor bei mir verhältnismäßig kleingeschrieben wird, und zweitens, dass ich in puncto Frauen aber durchaus mit den Großen mithalten kann. Ich liege sauber zwischen Gerhard Schröder und Horst Seehofer. Das gilt übrigens nicht nur für Frauen, sondern auch für andere politische Bereiche. Das Mittendrin ist mein Revier. Wie in einer Hängematte. Mittendrin kann man in Ruhe schaukeln, am Rand fällt man schnell raus.
Was spricht noch für mich? Der erste Präsident hat es auf die Zwei-Mark-Stücke geschafft. Da würde ich mich nicht schlecht machen, schließlich war ich nicht umsonst vor vier Jahren "Krawattenmann des Jahres". Das ist übrigens kein Synonym für Bundespräsident, sondern eine Ehrung in der Werbebranche. Die bekam ich kurz nach Johannes B. Kerner, mit dem ich oft verwechselt werde, aber ich bin bei der CDU und er bei Sat.1, wobei da die Unterschiede natürlich fließend sind, aber ich trage eine Brille, zumindest daran können Sie uns auseinanderhalten. Außerdem sollte man Menschen nicht nur aufs Äußerliche reduzieren. Superman wirkt in seinem bürgerlichen Leben auch eher spießig.
Was haben Sie von mir zu erwarten? Nun, liebe Landsleute, ich bin offen. Zum Beispiel für Zukunft. Ich habe eine Muslimin zur Ministerin gemacht und mich in der "Bild" von meiner ersten Frau getrennt, ich finde Nelson Mandela gut und Lena. Mehr modern geht nicht. Ich bin Deutschland. Ich bin Präsident. Und solange so etwas möglich ist, muss man sich um dieses Land keine Sorgen machen. Gute Nacht.