Comedy-Serie "My Name Is Earl" Die Karma-Schlampe

Gute Absichten können böse Folgen haben. So zu sehen in "My Name is Earl" auf RTL. Die exzellente TV-Serie schickt einen chaotischen Helden los, um seine vergangenen Untaten wiedergutzumachen – und beweist: Man kann auf sehr smarte Art ein Trottel sein.
Von Christoph Cadenbach

Nein, Earl Hickey ist kein Bilderbuchamerikaner: Er klaut, statt zu arbeiten, säuft, statt zu frühstücken, und haust in einem Trailer-Park in einer Kleinstadt im mittleren Westen. Diesen ignoranten Schnauzbartträger im Flanellhemd will man lieber nicht seinen Eltern vorstellen - sondern forttreiben wie die Schmeißfliege vom Apfelkuchen.

Seit Al Bundy und seiner schrecklich netten Familie weiß man jedoch, dass der White Trash, dieser weiße Unterschichtenabfall, durchaus ein beliebter TV-Stoff sein kann. Und so wurde "My Name Is Earl" in den USA zum Quotenhit und staubte 2006 vier Emmys ab.

"Wow, eine Porno-Maschine"

Earl Hickey wird von Jason Lee gespielt, einem ehemaligen Profi-Skater, der bislang vor allem als Nebendarsteller in Independent-Filmen wie "Chasing Amy" oder "Dogma" in Erscheinung trat. Aus dem kleinkriminellen Proleten Earl macht Lee ein sympathisches Schlitzohr, dessen überzogene Mimik Jim Carrey nicht besser hinbekommen hätte.

Begleitet wird Earl von seinem Bruder Randy (Ethan Suplee), der durch exzessiven TV- und Bierkonsum zu einem monströsen Kind von 120 Kilogramm mutiert ist und außerdem Angst vor Nonnen hat. Randy besticht mit einer ans Philosophische grenzenden Blödheit. In einer Folge hält er mit offenem Mund einen Laptop in die Höhe und freut sich: "Wow, eine Porno-Maschine!"

Diese beiden Chaoten stolpern durch ein irres Projekt: Earl will alle Fehler, die er je begangen hat, wiedergutmachen. Auf die Idee verfällt der eigentlich egoistische Saufbruder, nachdem er 100.000 Dollar mit einem Rubbellos gewinnt, anschließend aber sofort vom Auto überfahren wird.

Im Krankenhaus sieht er eine Sendung über Karma und ahnt, dass ihn mächtige Schicksalskräfte auf dem Kieker haben. "Ich bin Karmas Schlampe", fasst der überraschend Geläuterte sein neues Lebensprogramm zusammen. Der Einsicht folgen Taten: Earl erstellt eine riesige Liste seiner ehemaligen Opfer und knöpft sich eines nach dem andern, Folge für Folge, vor.

Das geht dann zum Beispiel so: "Punkt 62: Habe den eigenen Tod vorgetäuscht, um mich von einer Freundin zu trennen". Earl möchte sich entschuldigen, doch setzt gerade dadurch eine katastrophale Dynamik in Gang: Der derzeitige Freund der Betroffenen nimmt sich die Idee zum Vorbild und täuscht nun seinerseits den eigenen Tod vor, um sich aus dem Staub zu machen. Die Wiedergutmachung wird zur erneuten Kränkung.

Dass die Geschichte, wie all die andern Abenteuer dieses Karma-Chaoten, doch noch gut ausgeht, liegt am raffinierten dramaturgischen Konzept der Serie: Immer verschlimmert der naive Earl die Situation erst einmal und braucht eine gehörige Portion Glück (das heißt Drehbucheleganz), um seine Mitmenschen aus dem Schlammassel zu ziehen. So viele helfende Zufälle gibt es in der Realität natürlich nicht. Die simple Lebensweisheit "Tu Gutes, krieg Gutes" wird durch den komplexen Plot als schöne Utopie entlarvt.

Wenn man etwas an "My Name Is Earl" bemängeln will, dann nur den Ausstrahlungstermin: RTL hat die Serie auf Freitagabend, 23.30, Uhr gelegt. Die kostbaren 21 Minuten, die jede Episode dauert, sind nun eingebettet zwischen "Mario Barth präsentiert: Die besten Comedians Deutschlands" und dem Nachtmagazin (anschließend läuft "Ritas Welt" mit Gabi Köster). Vorsichtshalber zeigt RTL auch nur die erste Hälfte der 24 Folgen der ersten Staffel. Man weiß ja nie, wie viele Zuschauer um diese Zeit reinzappen.

Und natürlich wurde die Sitcom ins Deutsche übersetzt - weichgespült könnte man auch sagen. Am schlimmsten fällt das bei Earls Ex-Frau Joy (Jaime Pressly) ins Gewicht. Im Original spricht sie so schnell, so spitz und scharfzüngig, dass sie trotz Modelfigur selbst für den Big-Brother-Container zu asozial wäre; auf Deutsch wirkt sie dagegen fast so sprachgepflegt wie eine Vorzimmerdame.

Da hilft am Ende nur eins: DVD ausleihen und auf Englisch gucken.


"My Name Is Earl", freitags 23.30 Uhr, RTL

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