"Das philosophische Quartett" Blasen im Glashaus

Ende der Woche startet im ZDF das "Philosophische Quartett". Der Gastgeber, Wortakrobat Peter Sloterdijk, ist an Profi-Denkern allerdings nicht interessiert.

Wenn er sich selbst "von weitem begutachten" müsste, dann, so sagt Peter Sloterdijk, käme ein "merkwürdiger Bastard" in seinen Blick: "Zusammengesetzt aus einem lyrischen Extremisten und einem verdammten Schulmeister. Oder aus einem Mystiker und einem Conférencier."

Palaver im Kreise dieser virtuellen Wohngemeinschaft könnte Sloterdijk, 54, somit locker im Alleingang anzetteln ­ der Wortschwall seiner Bücher (darunter bisher zwei Bände zum Thema "Blasen" und "Globen") hat das längst bewiesen. Spätestens seit er 1999 in der berüchtigten Rede vom "Menschenpark" das Bild vom Homo sapiens als Züchter seiner selbst heraufbeschworen hat, sonnt sich der Formulier-Narziss gern in der Gewissheit, er sende "auf einer Frequenz, auf der die deutsche akademische Intelligenz nicht empfängt, auch die dominierende Publizistik nur zum Teil, wohl aber das breitere Publikum".

Fast eine Gnade also, dass der redefreudige Rektor der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe nun auf einmal voll ins Breite geht und mitunter sogar andere Leute zu Wort kommen lassen will.

In einem "Philosophischen Quartett", inszeniert nach Art der jüngst beerdigten literarischen Zeterpartie von Marcel Reich-Ranicki, wird Sloterdijk am Sonntag dieser Woche erstmals den Conférencier geben. Von 22.45 Uhr an sollen ausdauernde Zuschauer "Im Glashaus" eine laut ZDF-Ankündigung "ebenso amüsante wie geistreiche Denk-Reise" auf der "Suche nach dem Wesen der Dinge" verfolgen. Mit seinem Freund, dem Berliner Philosophen-Biografen Rüdiger Safranski ("Schopenhauer und die wilden Jahre der Philosophie"), 57, und zwei Gästen will Sloterdijk sechsmal pro Jahr versuchen, beim Publikum die "Libido des Denkens anzuregen".

Zumindest für Nachteulen dürfte der nächste Sendetermin, am 24. März um 23.30 Uhr, ideal sein. Sollten kurz vor der Geisterstunde doch einmal Durchhänger im Dialog auftreten, kann das Auge sich am Blick durchs nagelneue Dresdner Studio weiden: Gesendet wird aus der "Gläsernen Manufaktur", in der VW seit kurzem das neue Luxusauto "Phaeton" zusammenschrauben lässt. Den Inhalt der Sendung, so das ZDF, wolle VW nicht mitbestimmen. Dennoch könnte das Motto der Sendung lauten: Wesensfragen am Fließband, intellektuelle Endmontage unter den Augen der Öffentlichkeit.

Fragt sich nur, ob die Produkte fahrtüchtig sein werden. In der ersten Sendung, einer Angst-Besinnung nach den Terroranschlägen vom 11. September, sollen als Gäste Reinhold Messner und Friedrich Schorlemmer auf den beiden Sofas Platz nehmen. Der Bergextremist und der Betroffenheitsathlet, jeder ein Selbstdarsteller alter Schule, können routiniert über Ängste reden; als Philosophen haben sie sich bisher allerdings kaum hervorgetan.

Doch echte Denker sind im Glashaus ohnehin nicht erwünscht. "Wir wollen keine Professoren haben", sagt der verantwortliche ZDF-Redakteur Werner von Bergen glashart. In Vorahnung solcher Abwiegelungen hatte der Bielefelder Philosoph Ansgar Beckermann, Präsident der Gesellschaft für Analytische Philosophie, sich schon Anfang vergangenen Jahres sorgenvoll beim ZDF erkundigt, warum nicht ein Moderator gewählt werde, der für eine "seriöse argumentative" Diskussionsleitung bürge. Monate später antwortete Noch-Intendant Dieter Stolte: Sloterdijk sei ein "kritisch-wacher Geist"; im Übrigen kämen "fachphilosophische Fragen" für die Sendung gar nicht in Betracht.

Vertreter der Zunft sehen diese Ideenscheu vorerst eher gleichmütig. "Ich freue mich über alles, wo Philosophie vorkommt", sagt etwa Volker Gerhardt, Nietzsche-Experte von der Berliner Humboldt-Universität. "Warum nicht?", meint auch der medienversierte Tübinger Philosoph Otfried Höffe, Kant-Kenner und Spezialist für das aktuelle Thema der Globalisierung. Nur die Mitwirkung des betulichen Literaten Safranski scheint ihm "nicht das Allerglücklichste".

Gerade aufs Betuliche aber setzen die Planer vom ZDF. Zwischen dem intellektuellen Don Quijote aus Karlsruhe und seinem Berliner Sancho Pansa kämen Menscheleien gerade recht. An Stelle von "tief schürfenden Debatten" oder gar sokratischer Fragekunst sind denn auch Talkshow-Evergreens wie Religion, Tugenden oder Erotik in Planung ­ Appetithäppchen für das, was Sloterdijk sonst noch alles plant: "In der Hauptsache", droht er, "werde ich künftig Luft-Medien-Theorie betreiben." Für eine "professionelle Clownausbildung", von der er noch kürzlich träumte, wird dem Fremdwortparfumeur da kaum Zeit bleiben.

Sei's drum ­ als "Glashaus"-Impresario ist er allemal eine Traumbesetzung. Erst vor ein paar Monaten hat der ehemalige Bhagwan-Anhänger, der Denker vom Fach gern als "theoretisierende Panzerlurche" abtut, zu Protokoll gegeben, er interessiere sich "seit jeher eher für Möglichkeiten, sich unmöglich zu machen".

JOHANNES SALTZWEDEL, MARTIN WOLF

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