
David Lynch: Verzerrte Welt
David-Lynch-Ausstellung Blick in eine dunkle Welt
Brühl - Mord, Vergewaltigung, Selbstmord, entblößte und entstellte Körper - es ist eine harte, dunkel konturierte Welt, in die das jetzt erstmals in Deutschland gezeigte künstlerische Werk führt. Das wundert nicht. Bekannt ist der Mann schließlich als Regisseur von Filmen wie "Blue Velvet" (1986), "Wild at Heart" (1990) oder "Lost Highway" (1997), die alle randvoll sind mit Lüsten, überbordenden Aggressionen und unheimlichen Verwicklungen.
Zum Zauber seiner geheimnisvollen filmischen Phantasmagorien gehörte stets, dass in ihnen Bilder, Räume und Sequenzen enthalten schienen, die in die bildende Kunst hinüberspielten. Die Ausstellung im Max Ernst Museum in Brühl zeigt jetzt, dass Lynch tatsächlich schon lange die Obsessionen und gedanklichen Intuitionen seiner Filme auch in bildnerische Werke übersetzte.
Vom Bild zum Film
Schließlich wollte Lynch ursprünglich Maler werden und hat in den sechziger Jahren in Philadelphia Kunst studiert. Als er aber irgendwann einmal vor seinen Leinwänden stand, hatte er das Gefühl, in den dunklen Passagen der Gemälde bewege sich etwas. Also begann er, animierte Zeichnung mit gefilmten Sequenzen zu seinen ersten Kurzfilmen zu vermischen: "Der Film entwickelte sich für mich aus der Malerei."
Und das Filmemachen wurde für Jahrzehnte zu seiner bevorzugten Ausdrucksform. Gerade in den letzten zwanzig Jahren aber muss Lynch rasant Bilder, Zeichnungen und Fotoarbeiten produziert haben. Die ältesten Arbeiten in der Ausstellung sind Fotos von schmelzenden Schneemännern vor tristen Vorstadthäusern - in Boise/Idaho, wo er einen Teil seiner Kindheit verbrachte, knipste er sie während der Dreharbeiten zu seiner TV-Serie "Twin Peaks" (1990/91).
Seine Lithographien hat Lynch in einer Pariser Werkstatt mit Steinen gedruckt, mit denen schon , Giacometti und Max Ernst arbeiteten. Und für die "Distorted Nudes" hat er historische Erotik-Fotografien am Computer bearbeitet, die Leiber der Modelle verzwirbelt, verstümmelt und malträtiert, als sei ihr harmloser erotischer Reiz inzwischen nicht verblichen, sondern zu blankem Horror zersetzt.
Pistole, Unterhose, Handy
Am lautesten kommen großformatige Bilder daher, die Szenen von Gewalt und Autoaggression zeigen. Sie mixen Drucke mit reliefartigen Farbballungen und realen Gegenständen: einer Plastikpistole, einer schmuddeligen Unterhose, einem Handy. Und an manchen Stellen glimmt in der tristen Leinwandszenerie eine bunte Glühbirne auf. Insgesamt sehen die Arrangements aus, als sei eines der raumgreifenden Tableaus von Ed Kienholz in die Fläche gedrückt und in einen der massigen verglasten Goldrahmen gesteckt worden, die für seine Bilder wählte.
So wirken diese Materialbilder nicht besonders originell. Da hilft es nicht viel, dass Lynch diese beiden Künstler ganz offen - und noch vor Edward Hopper - zu seinen Lieblingskünstlern zählt und die Geschichte der Rahmen so erzählt: "1966 oder 1967 sah ich eine Ausstellung von Francis Bacon in der Marlborough Gallery. Alle wurden unter Glas in großen Goldrahmen präsentiert. Ich wollte schon immer Bilder so rahmen."
Am meisten aber enttäuscht das sperrigste Werk der Brühler Schau: ein bühnenartiges Interieur mit Sessel, Sofa und einer naiven, bunten Wandbemalung. Es wird als Installation ausgegeben, gleicht aber eher dem misslungenen Bühnenbild eines mittelmäßigen Tourneetheaters. Wehmütig muss man an die großartig suggestiven Räume in Lynchs Filmen denken: etwa an das rote Zimmer in "Twin Peaks", in dem FBI-Agent Dale Cooper in einer Szene voll unbeschreiblich eigentümlicher Traumlogik die Lösung seines Fall offenbart wird.
Vielleicht hat Lynch selbst die mangelnde atmosphärische Wirkung des in Brühl gezeigten Kulissenbaus bemerkt. Jedenfalls hat er ihm einen Soundtrack unterlegt, dessen Rauschen, Röhren, Rumpeln sich müht, ihm etwas Suggestivität einzuflößen. Vergebens. Der Ton liefert zwar die Zeitebene dazu, die im Film naturgegeben ist, kann aber keine mysteriöse Tiefe erzeugen.
Nachschaffender Könner
In Lynchs Filmen sind - und die Texte des Ausstellungskatalogs belegen das - viele Anregungen aus der bildenden Kunst eingeflossen. Dort hat er sie so virtuos umgestaltet, dass für seinen Gestus das englische Adjektiv "lynchean" erfunden wurde. Bei seinem bildnerischen Werk zapft er ebenfalls die Kunstgeschichte an, verstrickt seine Beute aber in kein wirklich eigensinniges Verfahren. Als Regisseur hat er eine unverkennbare Filmsprache gefunden. In der Kunst ist er zwar ein Kenner und auch ein Könner - doch eher ein nachschaffender, der seine Obsessionen mit den Formen und Techniken des 20. Jahrhunderts durchexerziert.
Aber vielleicht wäre die Ausstellung seiner spezifischen Imaginationskraft gerechter geworden, wären seine Kurzfilme in die Ausstellung integriert und nicht in einen benachbarten Vortragssaal verbannt worden. Denn möglicherweise ist Lynchs Beitrag zur bildenden Kunst dort am stärksten, wo seine filmischen Verfahren experimentell verdichtet sind: bei den Kurzfilmen oder dem frühen, surreal überdrehten Kultfilm "Eraserhead".
David Lynch - Dark Splendor. bis zum 21. März 2010 im Max Ernst Museum Brühl